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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0055
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54

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

gänge", es gab keine feste Grenze zwischen Freisein von Simonie und Simonie,
alles war diskussionsfähig.213 Es fehlte schlichtweg eine Norm, um über den
simonistischen Charakter der vielfältigen Handlungen im Kirchenbereich ent-
scheiden zu können.214 Gerade aber Konzilien mit Reformanspruch versäumten
es, solche Normen zu schaffen.215 So konnte es auch passieren, dass König
Konrad II. (1024-1039) bei der Einsetzung Bischof Ulrichs von Basel 1025 Geld
von diesem annahm, sich aber später besonnen und durch das Gelübde ge-
bunden haben soll, „künftig für kein Bistum und keine Abtei mehr Geld zu
nehmen"216 - eine Verpflichtung indes von geringem Wert, wie Hartmut Hoff-
mann darlegte.217 Immerhin verfügte das vermutlich von Konrad einberufene
Konzil von Tribur 1036, dass Geldzahlungen an einen Geistlichen anlässlich
Taufe, Begräbnis und Altarvergabe den Bannstrahl nach sich ziehen sollten.218
Einerseits blieb das frühere königliche Vorgehen hiervon unberührt, andererseits
wurden wiederum lediglich Symptome bekämpft. Eine prinzipielle Klärung,
was genau unter Simonie zu verstehen und wie sie zu bestrafen sei, erfolgte nicht.
Erst ab den dreißiger Jahren des 11. Jahrhunderts sind antisimonistische
Äußerungen und Handlungen jenseits der Konzilien häufiger überliefert, vor
allem aus Italien.219 Dass sich die Berichte gerade dort häuften, liege, abgesehen
von der Quellenlage, an der dort besonders verbreiteten Simonie, aber auch an
einer Reaktion darauf, die früher als im nordalpinen Reich stattgefunden habe,
so Meier-Weicker.220 Eine hohe Simoniedichte führte indes nicht zwangsläufig zu

213 Vgl. Tellenbach, Reform 1985, S. 102f. Das Zitat bei Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 80.
214 Beispielweise stellten Palliengelder einen Grenzfall zwischen Gebühr und außerordentlicher
Zahlung dar, vgl. einführend Kranemann, Pallium 1993. Gilchrist, Haeresis 1965, S. 214 sah den
Kem des Übels darin, dass der Simoniebegriff „no exact theological or canonical meaning"
gehabt habe.
215 Unter Kaiser Heinrich II. (1002-1024) fanden 1019 bis 1023 drei Konzilien statt, die weder über
Simonie noch über kanonische Regeln der Ämtervergabe verhandelten, obschon das Paveser
Konzil 1021 Klerikern das Konkubinat sowie die Ehe unter Androhung der Absetzung verbot (s.
dazu Abschnitt II.2.4). Offensichtlich gab man sich mit der 1014 in Ravenna erfolgten Bannung
derer, die einen Kirchenmann oder eine Kirche gegen Geld weihten, zufrieden (vgl. MGH Const.
1, Nr. 30, S. 62, Kan. 1 und 3).
216 Zotz, Zustand 2006, S. 26. S. dazu auch unten S. 151.
217 H. Hoffmann, Mönchskönig 1993, S. 61-71 mit diversen Beispielen zu Konrads Verhalten. S. dazu
auch unten Anm. 858.
218 MGH Const. 1, Nr. 44, S. 89, Kan. 4f. Jasper führte in den MGH Conc. 8, S. 139 aus, dass die
erzählenden Quellen zwar auf die Einberufung durch Konrad, nicht aber auf seinen Vorsitz oder
aktives Eingreifen seinerseits hindeuteten.
219 Einige Beispiele mögen genügen: Wilhelm von Volpiano weigerte sich, dem Bischof von Vercelli
den vor seiner Weihe zum Diakon den üblichen Treueid zu leisten, da dies eine simonistische
Zumutung sei (vgl. Vita domni Willelmi 4, S. 40; dazu Bulst, Untersuchungen 1973, S. 30f.). - Die
Epistola Widonis, s. unten Abschnitt VI.3.2- 1035 predigte der Mönch Johannes Gualbertus den
Florentinern über ihren simonistischen Bischof (s. unten Abschnitt VI.3.5).
220 So Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 82. Vgl. die dem Stadteremiten Teuzo von Florenz in den
Mrmd gelegte Empfehlung an Johannes Gualbertus, sein Kloster wegen des simonistischen
Abtes zu verlassen, doch würde die Suche nach einer Alternative schwierig: „Ad aliud si te in his
partibus transferas monasterium, cum te putas dentes fugere leonis, morsum non evades serpentis.“
Andrea di Strumi, Vita loh. Gualberti 8, S. 1082, Z. 4-6.
 
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