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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0109
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108

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

seines Abtes Olbertus/Ubertus558 Als er diesen Umstand auf Ermutigung des
Stadteremiten Teuzo öffentlich machte und 1035 eine Rede auf dem Marktplatz
hielt, stieß er auf Unverständnis. Weil Gualbertus Volk und Mönche außer zum
Kampf gegen den Abt auch noch gegen den Ortsbischof Atto mobilisieren wollte,
musste er fliehen. Ein kurzer Aufenthalt im zwei Tagesreisen entfernten
Camaldoli ließ den Entschluss reifen, gemeinsam mit einigen Gefährten auf
halbem Wege zwischen Camaldoli und Florenz ein Kloster strengerer Lebens-
form für Eremiten zu errichten, dem Gualbertus spätestens seit 1043 als Prior
vorstand. Bald nahmen die Klosterinsassen indes die Benediktsregel an und
führten das Konverseninstitut ein - die große Anziehungskraft dieser Lebens-
weise wird in der Vita Gualberti summarisch erwähnt559.
Wie bei Nilus (ca. 910-1004) aus dem kalabrischen Rossano.560 Um das 30.
Lebensjahr und Romuald offenbart sich eine besondere Nähe eremitischer und
zönobitischer Lebensformen im Italien des 10. und 11. Jahrhunderts - D'Acunto
sprach diesbezüglich von „oscillazione tra l'eremitismo e il cenobitismo"561. So-
wohl in Camaldoli als auch in Vallombrosa wurde ein entschieden neues Ideal
der vita apostolica gelebt, das nicht mehr allein aus persönlicher Weltentsagung
bestand, sondern fortan auch apostolisches Wirken in der Welt einschloss.562
Daher engagierten sich insbesondere die Vallombrosaner unter Führung ihres
Abtes Johannes Gualbertus für die Bekämpfung Bischof Petrus Mezzabarbas im
30 km entfernten Florenz.563
Dieser stand bereits seit 1062, also kurz nach seiner Wahl und Erhebung,
unter dem Verdacht, simonistisch in sein Amt gelangt zu sein, während sein
Klerus sich den Vorwurf des Nikolaitismus gefallen lassen musste: Johannes
Gualbertus und seine Anhänger riefen die Florentiner Bevölkerung daher in
Predigten und Texten mehrfach zum Boykott der bischöflichen Messen und
Sakramente auf.564 In Florenz wie auch dessen Umland spaltete sich die Bevöl-
kerung daraufhin in Anhänger und Feinde des Bischofs und seines Klerus.565
Parallel zu den Entwicklungen in Mailand (s. Abschnitt II.2.9) spielten auch
in Florenz machtpolitische Aspekte eine entscheidende Rolle: So unterstützte
Markgraf Gottfried aus Angst um seine Stellung in Florenz den angeklagten

558 S. dazu und zum Folgenden unten Abschnitt VI.3.5.
559 Vita loh. Gualberti 25-36, S. 1086-1088.
560 Vgl. zum Folgenden Follieri, Edizione 1997; Howe, Neilos 1991. - Zum 10. Jahrhundert als erster
Hochzeit Violante, Eremitismo 1972, S. 130.
561 D'Acunto, Monachesimo 2006, S. 289. Ähnlich auch Schürer, Kommunikation 2007, S. 16 mit
weiterer Literatur Anm. 21: Die Vallombrosaner und Camaldolenser „versuchten, zwei einander
eigentlich widersprechende Lebensformen (...) zur Synthese zu bringen".
562 Vgl. Grundmann, Beiträge 1976, S. 46. Vgl. die Darstellung missionarischer Tätigkeit Romualds
von Camaldoli in der Petri Damiani vita b. Romualdi 43, S. 85.
563 S. oben Abschnitt II.2.9.
564 Bertholdi chronicon zu 1067, S. 204, Z. 8-13. Teuzos Vater soll die Geldzahlung für den Episkopat
seines Sohnes selbst zugegeben haben, was in Florenz bald die Runde machte: Anonymus, Vita
loh. Gualberti 5, S. 1106, Z. 29-41. Der genaue Beginn der Agitationen ist nicht fassbar. Vgl. auch
Zumhagen, Konflikte 2002, S. 180, 187.
565 Bertholdi chronicon zu 1067, S. 204, Z. 14-16.
 
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