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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0112
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II.3 Personen und Gruppen

111

Auch in der Person des Dominicas von Sora (um 950-1031) werden einige
Charakteristika des italischen Eremitentums deutlich: enge Verbindung von
Zönobismus und Anachorese, Unterstützung durch den Adel vor allem aus
dynastischen Motiven, Auflösung aller Bindungen zwischen den Gründungen
einer Person nach deren Tod.581 In kirchenreformerischer Hinsicht griff Domi-
nicas Klerikerehen an und forderte in seinen Predigten die Exkommunikation
unkeuscher Kleriker.582 Allerdings erwähnen die ihm gewidmeten Viten kei-
nerlei Kontakte zu den hier interessierenden Reformern.583 Dies impliziere nach
Howe jedoch nicht zwingend ein Nichtvorhandensein solcher Beziehungen -
vielmehr vermutete Howe, dass die Verfasser keinen Mehrwert darin sahen,
etwaige Verbindungen zu bedeutenden Personen aufzuzeigen.584
Schließlich lassen sich über das kirchenreformerische Engagement Lamberts,
Abt der romualdinisch geprägten Gemeinschaft von SantApollinare in Classe,
lediglich die im Personenkatalog verzeichneten Indizien Zusammentragen.
Kirchenreformerische Aktivität ist demnach mehr als wahrscheinlich, wenn
auch nicht direkt zu belegen. Dennoch hielt Laqua es für legitim, ihn zu den
frühen Vertretern des Ravennater Reformkreises zu zählen, dem er eine „Vor-
kämpfer-Rolle für die kirchliche Erneuerung Italiens" attestierte.585
Jenseits der Apenninhalbinsel lassen sich nur wenige eremitische Elemente
ausmachen, die mit den Anfängen der Kirchenreform und ihren Anliegen in
Zusammenhang standen.586 Zwar sind erste Versuche Roberts de Turlande und
Gautiers de Lesterps vor Mitte des 11. Jahrhunderts zu fassen, doch standen sie in
keinem direkten Zusammenhang zur Kirchenreform.587 Erst nach 1060 breitete
sich die anachoretische Lebensweise von Italien her in Richtung Frankreich

581 Zu ihm, der auch als Dominico da Foligno bezeichnet wird, vgL allgemein Sensi, Movimenti
2009, S. 565-568; Howe, Church 1997; zum Zerfall der Bindungen zwischen den Gründungen
ebd., S. 124,150. Die Grafen von Valva, die Borelli, Ottaviani, Crescenzi und die Herren von Sora
baten Dominicus, Klöster für sie zu bauen, als sie sich im Prozess der Etablierung eigener
Territorien und Titel befanden, so Howe auf S. 103.
582 Allgemein Howe, Church 1997, S. 62,118, 160 mit Verweis auf eine Vita des Dominicus; zu den
Abhängigkeiten der vier Dominicus-Viten vgl. ebd., S. 164.
583 Die Viten nennen weder Kaiser noch Päpste, obwohl Dominicus meist innerhalb des Patrimo-
nium Petri lebte. Auch von den 1022, 1024 und 1026 in Italien weilenden Äbten von Cluny
verlautet nichts. Ebenso werden außer zweier postumer Wunder keine Bischöfe und nicht ein-
mal Dominicus' erster Abt erwähnt. Vgl. dazu ebd., S. 119. Abt Desiderius nennt Dominicus
nicht in seinen Dialogen; er bevorzugt Papst Leo IX. oder seine Mönche in Montecassino (ebd., S.
150).
584 Howe, Church 1997, S. 119f.: „Such relationships probably did exist. (...) The absence of higher
authorities in his memorials is literary reality, significant for the provincial mentality it displays,
but not necessarily an objective reality."
585 Laqua, Traditionen 1976, S. 102f.
586 Vgl. allgemein B. Mertens, Movement 1995. Zum Asketen Adalbert (um 956-997), der zugleich
Bischof von Prag war, vgl. zuletzt Swiechowski, Adalbert 1997 sowie Sansterre, Otton 1989, S.
380-386. Zum nordalpinen Reich vgl. Grundmann, Eremiti 1965.
587 Vgl. Foulon, Ermites 2003, S. 82, 98: Beim Eremitentum im Westen Frankreichs habe es sich
keinesfalls um eine große kohärente Bewegung gehandelt, die von wenigen Eremitenmeistem
geleitet wurde, sondern um eine Menge individueller Initiativen, die versuchten, sich von den
bestehenden Verhältnissen monastischen Lebens zu trennen.
 
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