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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0114
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II.3 Personen und Gruppen

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auch im 11. Jahrhundert außerordentlich reformbereit.595 Und weil an einer
solchen Dauerreform des Mönchtums besonders deutlich zu erkennen sei, „wie
Reformen aus dem Enthusiasmus von Individuen und Gruppen geboren wer-
den", fand dieses Phänomen breites Interesse in der Forschung und führte zu
einem differenzierten Bild der Reformaktivitäten.596 Allerdings blieb der objek-
tive Grad von Reformbedürftigkeit aufgrund einer Gemengelage der Interessen
schwer zu bestimmen.597
Neben Strukturvergleichen598 und bedeutenden Personen599 galt das Inter-
esse insbesondere den Möglichkeiten einer Auswertung der Memorialüberlie-
ferung600 sowohl des im Reich beheimateten Mönchtums als auch der clunia-
zensischen Reform. Das Verhältnis zwischen Erkenntnisgewinn und methodi-
schen Bedenken scheint sich inzwischen zu Gunsten der Letzteren verschoben zu
haben.601 Da allerdings nur in den seltensten Fällen Grund und Zeitpunkt der
Memorialaufzeichnung bekannt sind, bleibt diese Forschungsrichtung für die
vorliegende Fragestellung wenig fruchtbar.602
Die 909/910 gestiftete Abtei Cluny faszinierte und fasziniert die Forschung in
einem solchen Maß, dass Giles Constable diesbezüglich von einer „minor aca-
demic industry" sprach.603 Neben der Rückbesinnung auf monastische Grund-
sätze nach dem Vorbild Benedikts von Aniane, der Unabhängigkeit von weltli-
cher und geistlicher Herrschaft sowie einer gesteigerten Spiritualität kenn-
zeichneten seit Abt Odilo (reg. 994-1048/49) Verbandsbildung, Zentralismus,
Beschränkung des Totengedenkens auf die cluniacensis ecclesia sowie Umfor-
mung zum Adelskonvent die cluniazensischen Reformideen.604 Dass diese aber

595 Vgl. den Sammelband Monachesimo 1971.
596 Zitat bei Ladner, Reform-Idee 1952, S. 53; zur Dauerreform des Mönchtums wie der Kirche vgl.
Klueting, Monasteria 2005; Moos, Krise 2001, S. 305. - Wiederum ein Verweis auf die Bedeutung
der Handlungsträger; insbesondere gruppenspezifische Aspekte sind mittels einer Kommuni-
kationsanalyse gut fassbar.
597 Miethke, Reform 1995, Sp. 544f.
598 Melville, Aspekte 2007; Patzold, Konflikte 2000; Kottje - Maurer, Reformen 1989.
599 Vgl. beispielsweise Kohnle, Hugo 1993; Schäfer, Studien 1991; Chaudagne, Odilon 1972 (mir
nicht zugänglich); Hourlier, Odilon 1964; Dauphin, Richard 1946.
600 Zu den Consuetudines vgl. die Ausführungen bei Sonntag, Klosterleben 2008, S. 37-44, me-
thodisch zu beiden Quellengruppen vgl. M. Werner, Wege 1989, S. 253-258, 262f.
601 Vgl. Laudage, Reform 1993, S. 112.
602 Vgl. Hochholzer, Münsterschwarzach 1998, S. 33: „In der Tatsache, daß Necrologe in späteren
Überarbeitungen ältere Bindungen preisgeben, zeigt sich die Problematik und Begrenztheit der
Memorialzeugnisse. Denn die Zufälligkeiten und Zielsetzungen bei der Anlage eines Toten-
buchs bleiben uns verborgen."
603 Zitat bei Constable, Legislation 1976, S. 151. - Auch Wollasch, Erforschung 1997, S. 38 konsta-
tierte, dass die „Erforschung Clunys und der Cluniacenser immer noch uferlos, d. h. zugleich
höchst aussichtsreich" sei, was die in der Bibliotheca Cluniacensis novissima für die Jahre 1498-
2015 zusammengetragenen Publikationen über Cluny und die Cluniazenser belegen. Es handelt
sich hierbei um eine online-Bibliographie des Instituts für Frühmittelalterforschung an der
Universität Münster (BibChmNov 2015). Vgl. Neiske, Reforme 2006 sowie Constable - Melville -
Oberste, Cluniazenser 1998.
604 Wollasch, Licht 1996, S. 50; M. Werner, Wege 1989, S. 262.
 
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