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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0115
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II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

nicht die alleinige Ursache der Kirchenreform sein können, erwies schon Sac-
kur.605
Ein erstes reformerisches Engagement sei bereits in der Zeit des zweiten
Abtes Odos von Cluny (reg. 927-942) nachweisbar,606 wobei die Stellung der
Cluniazenser zur nichtklösterlichen Außenwelt unterschiedlich eingeschätzt
wurde:607 Für die Gottesfriedensbewegung setzte Odilo sich mehrfach ein und
wird für deren Verbreitung über die Grenzen Galliens hinaus um 1040 mit ver-
antwortlich gemacht. Vielleicht gehört auch das allgemeine Friedensgebot für
die Bischöfe und Großen Galliens und Aquitaniens durch Papst Clemens II. in
einer Bulle für Cluny in diesen Kontext.608 Beziehungen zum Papsttum waren
zwar durch die Exemtionsbestimmungen der Gründungsurkunde vorgege-
ben,609 doch hing deren Ausgestaltung von den jeweiligen Vertretern ab. Odilo
reiste insgesamt neunmal zu den Päpsten und soll ein enger Freund Benedikts
VIII. gewesen sein, während das Verhältnis zu den übrigen Päpsten, insbeson-
dere Gregor VI., kaum zu bestimmen ist.610 Demgegenüber forderte er König
Heinrich III. explizit zum Eingreifen in die römischen Verhältnisse Ende 1046 auf
und belegt damit eine positive Haltung zum herrschaftlichen Aspekt laikalen

605 Sackur, Climiacenser 2 1965, S. 437-449.
606 Wollasch, Cluny 1996, S. 37-60; Cowdrey, Cluniacs 1970.
607 Constable, Cluny 2006, S. 144 stellte fest, dass die Cluniazenser selbst keine einheitliche Haltung
zu den Reformfragen gezeigt hätten. Allerdings implizierte sein Reformbegriff als Ziele „die
Trennung von Kirche und Reich, die Unabhängigkeit und Zentralisierung der Kirche und den
Ausbau der päpstlichen Macht" (ebd., S. 143). - In programmatischer Auseinandersetzung mit
Hallinger, Gorze 1 + 2 1950, vgl. den Sammelband der so genannten Freiburger Schule von
Wollasch - Mager - Diener, Forschungen 1959, welcher auch Bulst, Cowdrey, Mehne sowie
Schmid verpflichtet sind (s. folgende Anm. sowie Laudage, Priesterbild 1984, S. 40, Anm. 220-
227). Eine Zusammenfassung der Forschungsmeinungen über die Bedeutung Clunys im 11.
Jahrhundert lieferten einander ergänzend Constable, Cluny 2006, S. 143f. sowie am knappsten
Jakobs, Cluniazenser 1974, S. 645: Cluny als „Initiator (Delarc), Beistand (Hauck), Teil (Brack-
mann) oder Keim (Hallinger) der gregorianischen Reform, nur indirekte vorbereitende Wir-
kungen für den Investiturstreit (Sackur), tiefe Verwurzelung in der vorgregorianischen Gesell-
schaft (Neue Forschungen, ed. Tellenbach)". Vgl. auch Violante, Mönchtum 1975; Wollasch,
Mönchtum 1973; H. Hoffmann, Cluny 1963.
608 S. ausführlicher unten S. 385.
609 Vgl. Neiske, Verhältnis 1998, S. 279, der mit einem Schwerpunkt auf dem 12. Jahrhundert über
„die Höhen und Tiefen von Beziehungen, die beiden Seiten Vorteile brachten und in dem beide
sich über weite Strecken hinweg bedingungslos unterstützten", berichtete. Vgl. auch ders.,
Papsttum 1997; Cowdrey, Cluny 1994 (zur zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts); Jakobs, Clu-
niazenser 1974; Mehne, Verhältnis 1974. - Die durch Exemtionsprivilegien erreichte Quasisou-
veränität (H. Hoffmann, Cluny 1963, S. 170) sei auch dem Aufstieg des Papsttums zugute
gekommen, vgl. Lemarignier, Exemption 1950, S. 288-334.
610 Zu Benedikt s. unten Anm. 2098. - Zu Gregor VI. und der früher vermuteten Gebetsverbrüde-
rung von Piacenza 1046 s. unten Anm. 1259. Wie in diesem Zusammenhang die Nachricht
lotsalds (lotsald, Vita Odilonis 17, S. 157, Z. 7-10), Odilo sei nie mit „ Silvester, Benedictus, lohannes
et in ultimis piae memoriae Clemens" zusammengetroffen, zu werten ist, thematisierte Schmid,
Piacenza 1975 nicht. Retrospektiv betrachtet, könnte es lotsald indes gerade rhetorisch sinnvoll
erschienen sein, den seines Amtes in Sutri verlustig gegangenen Johannes/Gregor den Nega-
tivbeispielen Benedikt IX. und Silvester III. zuzuordnen, um Clemens II. desto strahlender
herauszustellen.
 
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