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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0181
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II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

schuldigt wurden, doch in ihrer eigenen Lebensführung nur in den seltensten
Fällen freiwillige Besserung anstrebten. Erst auf äußeren Druck hin und nach
Rechtfertigungsversuchen nahmen sie die ihnen auferlegten Strafen an. Ob dies
lediglich eine Frage der Überlieferung ist, darf bezweifelt werden, weisen doch
alle übrigen Gruppen immerhin ein Mindestmaß an Selbstkritik auf.
Einen Eindruck vom Verhältnis zwischen Engagement und persönlicher
direkter wie indirekter Betroffenheit der Personen und Institutionen für die bzw.
von den besprochenen Themen und Hintergründe(n) vermitteln die Tab. 4 und 5.
Weil sie jedoch weder zeitliche noch quantitative oder qualitative Differenzie-
rungen ausweisen, dürfen aus ihr keine verallgemeinernden Rückschlüsse ge-
zogen werden: Beispielsweise engagierte sich von den Eremiten lediglich Petrus
Damiani im Bereich der Verwandtenehe, wohingegen über zehn Bischöfe wegen
simonistischer Vergehen angeklagt wurden. Es handelt sich demnach um Zwi-
schenergebnisse.
Auch bei Rücksichtnahme auf die Art der Quellenlage wird mit Blick auf Tab.
4 und die Personen deutlich, dass Päpste, deren Legaten und Kardinäle das
thematisch breiteste, Kanoniker hingegen das geringste überlieferungstechnisch
nachweisbare Engagement zeigten. Eremiten und Mönche engagierten sich
gleich stark wie Kaiser und Könige, kurz darauf folgten Laien. Dies deckt sich mit
der erläuterten Nähe zwischen Mönchtum und Eremiten wesen. Betrachtet man
die diskutierten Themen, so engagierten sich alle Gruppen für die Erneuerung
des gemeinschaftlichen geistlichen Lebens. Es ist damit der gesellschaftlich am
breitesten diskutierte kirchenreformerische Aspekt. Es folgen die patarenischen
Bewegungen mit zwar nur regionaler Bedeutung, dafür aber größter Relevanz
für die jeweilige Bevölkerungsentität. Erstaunlich ist, dass Verwandtenehen und
Gottesfrieden ebenso breit wie das in der Literatur häufig als Hauptthema der
Reform erscheinende Simonieproblem zur Sprache kamen. Hingegen enga-
gierten sich lediglich zwei Gruppen in den Bereichen Kanonessammlungen,
Nikolaitismus und Laieneinfluss. Ungeachtet der Qualität und Quantität zeigt
sich vorerst, dass Nikolaitismus und Simonie in weitaus geringerem Maße im
gesamtgesellschaftlichen Spektrum verankert waren als die bisherigen Darstel-
lungen vermuten ließen.
Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich in Tab. 5 bei der Frage danach, welche
Gruppen im Zentrum der Kritik standen: Vor allem Kanoniker und Laien stan-
den in der Schusslinie, direkt gefolgt von Episkopat, Mönchen und Kaisern/
Königen. Eremiten wie auch Päpsten, deren Legaten und Kardinälen wurde
lediglich der Vorwurf der Simonie zu Teil. Es überrascht dabei nicht, die Simonie
als über die Gruppen am weitesten gestreuten Kritikpunkt wiederzufinden,
schließlich konnte sie von allen ausgeübt werden. Entsprechend ihrer Natur
findet sich Nikolaitismuskritik ausschließlich im Bereich des Klerus, wobei aber
weder Eremiten noch Päpste in dieser Hinsicht kritisiert wurden. Laienfluss,
Verwandtenehen und mangelnde Friedens Währung wurden vor allen Dingen
bei Laien sowie Kaisem/Königen angemahnt, während sich im Bereich der Ka-
nonessammlungen keinerlei Kritik nachweisen lässt.
Die Zusammensetzung der Personengruppen in den beiden Übersichten ist
keinesfalls identisch, überschneidet sich aber in Person Kaiser Heinrichs III.,
 
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