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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0194
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III.2 Personelle Aspekte

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mationen über das diesseitige Tagesgeschäft für eine bestimmte Person, weshalb
ihre Übermittlung nur in einem eingeschränkten zeitlichen Rahmen sinnvoll ist.
Um diesen einzuhalten, wird die Nachricht möglichst kurz gehalten und auf
autoritative Unterfütterung weitgehend verzichtet.1094 Erörterungen hingegen
besitzen längerfristige Relevanz für mehrere Personen und sind nicht zeitge-
bunden. Vom Inhaltlichen her steht für ihre Abfassung demnach mehr Zeit zur
Verfügung, was einen größeren Umfang und damit elaborierteren Inhalt mit
theologischer Begründung erlaubt.1095 So lässt sich verstehen, warum erstens ein
Brief an mehrere Personen ging1096, zweitens einzelne Abschnitte mehrfach
Verwendung fanden1097 und drittens, dass Damiani einen Brief aufgrund
adressatenseitigen Desinteresses zurückforderte.1098 Wenngleich ein argumentum
e silentio, sind im Gegenzug keine Briefe mit dem oben beschriebenen Nach-
richtencharakter bekannt, die an verschiedene Empfänger gingen. Auch wenn
fließende Übergänge eine Einschätzung erschweren, so lassen sich doch im-
merhin grobe Angaben zur Verteilung der Funktionen machen: Mischformen
sind wider Erwarten nicht die Regel - nur knapp 16% der Überlieferung ent-
halten Alltägliches undNormatives. Beispielsweise bildet ein aktueller Anlass
den Ausgangspunkt einer Erörterung;1099 ein Bote fehlt und so bleibt Gelegen-
heit, einer Nachricht Erbauliches hinzuzufügen1100. Dafür dienen etwa 55% von
Damianis überlieferten Briefen als Erörterungen' langfristigen kulturellen
Zwecken, während,Nachrichten' nur knapp 30% ausmachen - ob dies allerdings
den ursprünglichen Verhältnissen entspricht, kann aufgrund des unklaren
Überlieferungsverlustes heute nicht mehr entschieden werden. Aus diesen Ori-
entierungswerten können daher zwar keine direkten Rückschlüsse auf Damianis

1094 Beispiele hierfür sind Petrus Damiani, Briefe 1, Nr. 3-7, 11-13, 16, 20, 26, 29f., 32-35, 37 u.ö.
1095 Beispiele hierfür sind ebd., Nr. 1, 17-19, 21-25, 27f., 31, 38-40 u.ö.
1096 Damit ist der Fall gemeint, dass in der Briefanrede jeweils nur eine Person genannt wird,
während der Text jedoch identisch ist. Beispiele hierfür: Petrus Damiani, Briefe 1, Nr. 36 von etwa
1050 findet sich in den Handschriften einerseits gerichtet an einen „S. religioso presbytero" sowie
andererseits an einen Erzbischof A., bei dem es sich nach Reindel (S. 340, Anm. 2) um Alfanus
von Salerno handeln könnte. Damiani modifiziert in diesem Schreiben seine früheren Ansichten
zur Verwandtenehe, vgl. Petrus Damiani, Nr. 19. - Ders., Briefe 2, Nr. 49 vom Herbst 1057 an den
Archidiakon Hildebrand, der in Rom an der Kurie saß; einen Stephanus, hinter dem Reindel den
Kardinalpriester von S. Grisogono in Rom vermutete; Erzbischof Alfanus von Salerno, Metro-
polit in Süditalien; und schließlich Desiderius, Abt der benediktinischen Erzabtei Montecassino.
Inhaltlich teilte Damiani Überlegungen zum Schöpfungswunder und zur Bedeutung des Sab-
bats mit. - Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 92 stellt eine verlängerte Fassung von Nr. 91 über die
Ereignisse rund um das Jüngste Gericht dar.
1097 Beispiele hierfür sind Petrus Damiani, Briefe 1, Nr. 21f.; Briefe 3, Nr. 109; Briefe 4, Nr. 160 und
Exzerpte bei Johannes von Lodi (vgl. Reindel, Studien 1 1959, S. 61).
1098 So geschehen bei Archidiakon Almerich in Petrus Damiani, Briefe2, Nr. 77, S. 385, Z. 20-24: „Tedet
enim laborare scribentem, quod non libenter admittere cognoverit auditorem. Et ubi cor audientis materia
stimulat, prolixae scriptionis articulus non delectat. Caeterum si te cognoscerem talibus aurem libenter
apponere, videretur mihi, quod Demostenen vel Tullium facile possem in affluentia sermonis aequare.
Remitte mihi libellum nostrum.“
1099 Ders., Briefe 1-2, Nr. 10, 36, 70 u. ö.
1100 S. oben Anm. 1079.
 
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