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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0262
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III.2 Personelle Aspekte

261

Synoden in Pavia und Sutri teil.1373 Er ist eine der vergleichsweise wenigen reli-
giösen Reformvertreter. Raimbald schließlich weist das umfangreichste Enga-
gement auf: Unterstützt durch eine lange Regierungszeit (1030-1068) setzte er
sich von 1032 bis 1063 für fünf Themen in fünf verschiedenen AGs ein und bekam
aufgrund dieser Tätigkeiten als Legat für Südfrankreich das Vertrauen des
Papsttums übertragen.
Der übel beleumundete und durch diverse Anklagen, Verurteilungen, Bußen
und Absetzungen angeprangerte südfranzösische Klerus schuf ein Milieu, in
dem Gesinnungsgenossen nicht unmittelbar vor der Haustür zu finden waren,
sondern in größerem Radius gesucht werden mussten. Abhängig von der eige-
nen Interessenlage und den eigenen Handlungsmöglichkeiten, den lokalen
(kirchen-)politischen Gegebenheiten sowie nicht zuletzt der Interessenlage des
personellen Umfeldes entwickelte jeder Reformer demnach ein individuelles
Reformprofil. Dieses war nicht starr, sondern musste sich an den wechselnden
Verhältnissen orientieren und flexibel an diese anpassen.
Zusammenfassend ist nach diesen Beispielen aus unterschiedlichen Regio-
nen, Themen und Perspektiven als Erstes und Wichtigstes festzuhalten, dass das
eingeführte Modell die umfangreiche und dabei komplexe Kommunikation
durch eine Einteilung in fünf Interaktionsebenen strukturiert und damit über-
haupt erst erfassbar macht. Jedes weitere beliebige Beispiel aus der Fülle des
Reformdiskurses ließe sich in diesem Modell verorten. Das Modell trägt also.
Zudem wurde die Diversität und Heterogenität des Diskurses evident, der
sich an Themen und Örtlichkeiten orientierte und von diesen abhängig personell
sowie zeitlich stark variierte.
Drittens behandelten die AGs zumeist ein Thema, selten mehr als zwei
Themen und konzentrierten sich so auf die Diskussion örtlich, zeitlich und
personell beschränkter Fälle. Das änderte sich im Laufe des Untersuchungs-
zeitraums lediglich durch die steigende Zahl der Synoden, welche allerdings die
in der Vielzahl kleinerer AGs virulenten Themen aufgriffen, mit normierendem
Anspruch behandelten und so schießlich rechtlich fixierten, was die Gesellschaft
schon lange umgetrieben hatte. Der Druck der zunehmenden lokalen Initiativen
führte mittels Unterstützung durch die römische Neuordnung 1046 im Laufe des
Untersuchungszeitraumes somit zu rechtlicher Absicherung durch die höchsten
geistlichen und weltlichen Herrschaftsträger und infolgedessen zu signifikanten
Reformfortschritten.
Viertens sind stets mindestens zwei Personen, aber nie mehr als drei, für die
Entwicklung einer AG zu einem AK verantwortlich. Selbst in den noch größeren
Clustern treten immer wieder dieselben Personen als Vermittler, Brücken und
Initiatoren entgegen. Die Intensität der Vernetzung und Nachhaltigkeit stand
und fiel demnach mit der Fähigkeit und dem Willen einzelner, weitere Personen
einzubinden.
Die Entwicklung von AGs zu AKs und weiter zu ACs war fünftens aus-
schließlich mit einer räumlichen Ausweitung verbunden: Während eine AG

1373 S. unten Anm. 2096.
 
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