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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0264
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III.2 Personelle Aspekte

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hingegen eine weitere Dimension. Weiterentwicklungen der Netzwerksoftware
könnte dies künftig bildlich eingängiger veranschaulichen.
Die , Reformkreise' bilden also nur kleine Teile eines weitaus komplexeren
Puzzles: Abb. 50 zeigt, dass allein das gemeinsame Agieren hinsichtlich eremi-
tischen, monastischen und klerikalen Lebens mindestens achtmal so umfang-
reich war, wie 2007 von mir nachgewiesen. Damals umfasste der asketisch-ka-
nonikal-ravennatische Kreis sechs, der monastisch-lothringische zehn und die
kanonikal-papal-burgundische sieben Personen. Diese insgesamt 23 stellen sich
jetzt, wenn überhaupt, lediglich als Teilgruppen von mindestens 189 Personen
dar, welche über die drei Themen zwischen 1033 und 1064 diskutierten. Die 2007
nachgewiesenen Gruppen entsprechen in etwa den jetzigen orange (monastisch-
lothringisch) und grün (kanonikal-papal-burgundisch) markierten AKs. Der
asketisch-kanonikal-ravennatische Kreis offenbart sich nur mehr als Teil einer
oberitalischen, vor allem im Florentiner Raum überaus aktiven Vielzahl von
AGs, die aber trotz relativer räumlicher Nähe großteils isoliert voneinander
agierten. Schmids holistischere Bezeichnung , asketisch-italischer Reformkreis'
bezeichnet die Struktur in Abb. 54, die das AN zum asketischen Leben darstellt,
schon treffender. Allerdings gibt es nur zwei AKs, die mit den übrigen zwei AGs
untereinander nicht kommunizierten. Im Vergleich zur Masse der sonstigen
Kontakte beispielsweise bei der Verwandtenehe ist der oberitalische Raum
hinsichtlich seiner Bedeutung keinesfalls herauszustellen, sondern lediglich ein
Puzzleteil im großen Ganzen.
Aus dem AG-Konzept heraus ist kein zentraler Einfluss Heinrichs III.
nachzuweisen, vielmehr scheint seine Wirkung katalysatorischer Art gewesen
zu sein: Er gab dem bestehenden und vielfältigen Reformstreben institutionellen
Rückhalt, geriet aber auch selbst ins mutige Feuer der Kritik. Vor, während und
nach seiner Herrschaft waren unzählige AGs, AKs und auch ACs aktiv, die von
seinem Handeln offensichtlich unbeeinflusst blieben und sich nicht durch ihn
zusammenschlossen. Er vereinigte die bestehenden Interaktionsgemeinschaften
daher nicht, sondern ergänzte durch einzelne synodale und gesetzliche top-
down-Durchdringung der Gesellschaft die vorhandenen Bemühungen und be-
gann so, zusammen mit dem Papsttum, einen normierenden Rahmen für die
verschiedenen Interaktionsgemeinschaften zu schaffen. Dies führte zu einer
Breitenwirksamkeit, welche die einzelnen Interaktionsgemeinschaften nie zu
erlangen in der Lage gewesen wären. Demzufolge stellt sich die Kirchenreform
als eine Kombination aus zunächst regionalen, vereinzelten AGs und später
einsetzender, überregionaler, breitenwirksamer Unterstützung durch normie-
rende Institutionen dar.
 
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