Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0268
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III.3 Strukturelle Aspekte

267

Auch Eidesleistungen erfreuten sich immer stärkerer Beliebtheit. Sie dienten
ganz unterschiedlichen Zwecken wie Rehabilitierung, Affirmation, Normierung
oder Sicherung von Machtansprüchen. Ihr Einsatz erfolgte rückbezüglich oder
präventiv, freiwillig oder durch Zwang. Nicht zuletzt waren sie an Bußleistun-
gen im Falle der Nichterfüllung oder gar des Meineides gekoppelt.
Beispielsweise halfen sie bei synodalen Anklagen dem Angeklagten tradi-
tionell bei der Abwehr von Vorwürfen wegen fehlerhaften Verhaltens.1390 Um ein
solches von Vornherein zu verhindern, beschloss die Synode von Bourges die
Einführung präventiver Zölibatseide vor der Weihe zum Subdiakon.1391 Neu
waren auch die freiwilligen Eidesleistungen im Rahmen der Gottesfrieden,
durch welche die gemeinsam festgelegten Diskussionsergebnisse anerkannt
wurden und die Eidleistenden sich zu deren künftiger Einhaltung verpflichte-
ten.1392 Ebenfalls neu: Die Mailänder Patarener schworen einerseits freiwillig,
selbst gegen Simonie einzutreten, und erzwangen andererseits von allen Kleri-
kern eine nicht mehr nur mündliche, sondern auch schriftliche Beeidung der
künftigen Einhaltung des Zölibats wie auch, dass Erzbischof Wido gegen Si-
monie und Nikolaitismus vorgehen werde. Dies zielte letztlich auf die Regle-
mentierung der schwörenden Kleriker selber.1393 Ein rein präventives Mittel zur
Sicherung von Macht war die Eidesforderung Stephans IX., dass die Römer
seinen Nachfolger nicht vor der Rückkehr Hildebrands nach Rom wählen
würden.1394 Dass Eidesleistungen aber nicht das kommunikative Allheilmittel
schlechthin waren, zeigt die Verweigerung des traditionellen bischöflichen
Treueschwures auf den König durch Halinard von Sombemon.1395
Zu dieser Thematik gehört auch der Umgang mit Meineiden und Meinei-
digen. Wider besseres Wissen begangene Eidesleistungen zogen härteste Strafen
nach sich. So wurde Bischof Haderich von Orleans wegen eines gegenüber Petrus
Damiani falsch geschworenen Eides in päpstlichem Auftrag gebannt.1396 Erzbi-
schof Wido von Mailand traf ebenso die päpstliche Exkommunikation.1397
Alexander II. sah sich genötigt, Meineide nochmals explizit zu verbieten.1398
Prinzipiell waren kirchenreformerische Ideen gewaltfrei1399, sowohl was ihre
Inhalte als auch ihre Umsetzung betraf. Manche, wie die Gottesfriedensidee,
verschrieben sich - immerhin realistisch - sogar der Eindämmung von Gewalt.
Daher sind auch kaum körperliche Interaktionen seitens der Reformer überlie-
fert - was freilich als argumentum e silentio nur bedingten Wert hat. Zwar ließe sich

1390 Beispielsweise Bischof Gottfried von Coutances s. oben Anm. 236.
1391 S. oben Anm. 298.
1392 S. oben S. 49.
1393 S. oben Anm. 490f. VgL Dartmann, Interaktion 2012, S. 49, 112f.
1394 S. unten Anm. 1823.
1395 Ebd., Anm. 1809.
1396 S. oben Anm. 247, 983.
1397 S. oben Anm. 517.
1398 JL 4502 (Fragment).
1399 Unter Gewalt wird im Folgenden der Einsatz von physischem Zwang zwischen Menschen sowie
von Menschen auf Dinge verstanden. Formen psychischer oder verbaler Gewalt zählen nicht
dazu.
 
Annotationen