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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0324
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VI.2 Kleriker

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erkundeten sie im Herbst 1057 im Auftrag Stephans die Anfänge der patareni-
schen Bewegung in Mailand.1581 Fortan tritt er regelmäßig mit Reformern in
Kontakt: Er erhielt 1057 eine Urkunde für sein Kathedralkapitel1582, besuchte die
Lateransynoden des Jahres 1059 und 10601583, übernahm mit Petrus Damiani eine
weitere Legation nach Mailand1584 und wurde am 1. Oktober 1061 zum Nach-
folger Stephans IX. gewählt, weil er „in den Augen der führenden Kreise als ein
Mann des Ausgleichs gelten"1585 konnte: Er kannte nicht nur die Verhältnisse am
deutschen Regentschaftshof und empfahl sich in der angespannten Situation
durch sein bereits als Bischof und Legat bewiesenes aus gleichendes Naturell1586,
sondern war kirchenreformerischen Anliegen wie der Bekämpfung von Simonie
und Nikolaitismus im Klerus verbunden. Aufgrund seiner Erfahrungen in
Mailand und Lucca mit dem simonistischen Klerus hatte Anselm die gegensei-
tige Bedingtheit von wirtschaftlicher Not und geistlichen Missständen als Ur-
sache der Simonie erkannt und nicht nur in seinem Luccheser Domkapitel ent-
sprechende (milde) Gegenmaßnahmen eingeleitet,1587 sondern die Wurzel des
Übels im häufigen Fehlverhalten der jeweiligen Kirchenführung erkannt. In

1581 S. dazu oben S. 102.
1582 Am 18. Oktober 1057 intervenierten die Kardinalbischöfe Benedikt von Velletri, Bonifatius von
Albano, Humbert von Silva Candida und der Archidiakon Hildebrand gemeinsam mit Anselm
bei Stephan IX. erfolgreich für den Luccheser Kathedralklerus. Der Papst stellte eine Urkunde
aus, welche das vorbildliche Leben der Gemeinschaft vor jeglichem fremden Zugriff schützte.
Dabei werden Herzöge, Grafen und Markgrafen in einem Atemzug mit Dekanen genannt. VgL
Stephani X epistolae, Sp. 871D-872A.
1583 Zu 1059 vgl. MGH Const. 1, Nr. 541, S. 545, Z. 20, zu 1060 Nicolai II epistolae, Sp. 1339A vom 15.
April 1060.
1584 S. oben S. 103. Zu Petrus Damiani s. oben Abschnitt III.2.1.1. Als gebürtiger Mailänder kannte
Anselm die Situation vor Ort und den Patarenerführer Ariald sehr wahrscheinlich von seiner
ersten Legation im Jahre 1057 her. Vgl. dazu T. Schmidt, Alexander II. 1977, S. 64.
1585 T. Schmidt, Alexander II. 1977, S. 82f.
1586 Vgl. ebd., S. 67.
1587 Trotz der Bemühungen unter Johannes II. und der Hilfe Leos IX. übten zu Zeiten Alexanders
noch immer ungeeignete und unzureichend geweihte Kleriker Priesterfunktionen aus (Alex-
andri II epistolae, Nr. 106, Sp. 1391B-193B und Nr. 107, Sp. 1393E), was der Papst durch eine
Neuregelung änderte: Fortan sollten stets 30 Kanoniker (zwölf Priester, sieben Diakone, sieben
Subdiakone sowie vier Kanoniker für den Chordienst) das Kapitel bilden. Bei der Nachfolge
sollten allein Kleriker mit einwandfreiem Lebenswandel und geistlicher Bildung unter Ver-
meidung jeglicher Geldzahlung und Pfründenakkumulation ausgewählt werden, so T. Schmidt,
Alexander II. 1977, S. 45. Die Zwölfzahl der Priester verweise laut Schmidt, S. 47f. zwar auf das
urkirchliche Vorbild, doch sei es auffällig, dass die vita communis mit keinem Wort Erwähnung
fände, obwohl entsprechende Vorurkunden Leos und Viktors darauf Bezug genommen hatten.
Dagegen erschien die Simonie als Hauptbeweggrund. Von den Reformklerikem erscheint einzig
der Priester und Kantor Gaudius namentlich, der am 19. Dezember 1062 eine Besitzbestätigung
des Papstes erhielt und daher „noch zu den Reformwilligen der ersten Stunde zählte", so
Schmidt, S. 50. „Wie überlegt Alexander in Lucca taktierte, die reformfreundliche Partei wohl
stärkte, ohne aber den Anspruch auf rigorose Durchsetzung des Reformprogramms zu erheben,
mag daraus zu erkennen sein, daß zu seiner Zeit Lucca ruhig blieb", urteilte Schmidt, S. 51.
Alexanders Bemühungen in Rom zielten auf den nichtkardinalizischen Lateranklerus, doch ist
das Original der entsprechenden Urkunde verloren. Näheres zu der wahrscheinlich nach 1064
anzunehmenden Reform s. oben S. 132.
 
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