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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0325
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VI Kirchenreformer in der Mitte des 11. Jahrhunderts

Briefen und Dekreten appellierte er daher mehrfach direkt an die Bischöfe und
ermahnte sie zu moralischer Besserung und simoniefreier Amtsführung.1588
Gegenüber Verwandtenehen verhielt er sich hingegen uneinheitlich streng1589
und bezüglich der Gottesfriedensbewegung zurückhaltend1590. Nikolaitische
Verhaltensweisen verdammte er per Dekret und verlieh diesen Beschlüssen in
Briefen Nachdruck.1591 In seinen Bemühungen um die Kirchenreform blieb
Alexander aber trotz der Verleihung des vexillum s. Petri an den Mailänder Pa-
tarenerführer Erlembald1592 ein nachsichtigerer Reformer.1593 Überhaupt traten
die Kardinäle unter Alexander II. im Kirchenregiment wieder etwas in den
Hintergrund und blieben zahlenmäßig überschaubar. Dies sei laut Schmidt
außer der Konsolidierung des Papsttums vor allem der immer stärkeren Position
Hildebrands zuzuschreiben, welcher nicht wie die übrigen Kardinäle Legationen

1588 Vgl. JL 4501 (April 1063: Verurteilung von Simonie und Strafandrohung für Simonisten sowie
wissentlich von Simonisten Geweihte); 4722 (1061-1073: Verurteilung simonistischer Bräuche bei
Vergabe von Benefizien und Ordinationen); 4724 (1061-1073: Verurteilung von Bischöfen, wel-
che eigene Angehörige begünstigt hatten und aus Habgier Besitz der Kirche verteilt hätten, so
dass der Kirche die Selbstversorgung unmöglich wurde; Kirchenmitglieder müssten sich daher
zwangsläufig neue Geldquellen erschließen durch Verkauf von Weihen und niederen Ämtern
auch an Laien und Unwürdige). Vgl. dazu T. Schmidt, Alexander II. 1977, S. 45, 53f. Eine
Schlüsselrolle komme den Erzbischöfen zu, denn deren Weigerung, simonistisch erhobene Bi-
schöfe zu weihen, würde weniger Versuche in diese Richtung nach sich ziehen. Vgl. JL 4517 =
Alexandri II epistolae, Nr. 16, Sp. 1296B-1297A, besonders 1296C (1063) an Erzbischof Gervasius
von Reims (zu ihm s. unten Abschnitt VI.2.2.12). - Zum Vorwurf der Simonie, der gegen Anselm
selbst bei seinem Pontifikatsbeginn vorgetragen wurde, vgl. Zimmermann, Papstabsetzungen
1968, S. 151-174.
1589 Ubl, Inzestverbot 2008, S. 469-472: Alexander habe sich bemüht, die römische Zählweise durch
die Zählung nach Generationen zu ersetzen, sei darin aber letztlich gescheitert. Dem König und
den Bischöfen von Dalmatien teilte er mit, zeitlich beschränkt auch Ehen im fünften Grad bei
Verpflichtung zur Keuschheit zu tolerieren (JL 4477, ca. Mai bis Oktober 1062). Einen unbe-
kannten Richter ließ er hingegen wissen, Ehen im dritten Verwandtschaftsgrad seien verab-
scheuenswert (JL 4582, ca. 1065). Auch mit dem neapolitanischen Klerus setzte er sich ausein-
ander, vgl. JL 4506.
1590 Alexander riet Bischof Kunibert von Turin im Jahre 1063 in einem fragmentarisch erhaltenen
Brief davon ab, auf Grund der neumodischen treuga Kirchenstrafen besonderer Art zu erlassen,
zumal sie nicht auf kanonischer Autorität gründe. Vgl. JL 4521; Hoffmann, Gottesfriede 1964, S.
219f. Sein Vorgänger Nikolaus II. hingegen schien bereits gefasste fra/gfl-Beschlüsse auf der
Lateransynode 1059 sanktioniert zu haben.
1591 Dekret: Alexandri II epistolae, Nr. 12, Sp. 1289D-1290A, vom April 1063, in dem Laien verboten
wurde, die Offizien offenbar unenthaltsamer Kleriker anzuhören. Briefe JL 4477 (s. oben Anm.
1588); an den Klerus von Mailand IP 6,1, S. 111, Nr. 16.
1592 Damit habe er nach Zumhagen, Konflikte 2002, S. 67 Laienangriff und Waffengewalt befür-
wortet. S. dazu oben Anm. 1559.
1593 Alexanders Nachsicht mit bischöflichen Verfehlungen sei kein Zeichen der Frühreform, sondern
ein spezifischer Charakterzug dieses Papstes, so T. Schmidt, Alexander II. 1977, S. 204. S. bei-
spielsweise das Verhalten gegenüber Rainald von Como unten Anm. 1952. Andererseits mahnte
Damiani ihn zu mehr Milde gegenüber Simonisten, s. unten Anm. 1594.
 
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