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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0371
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VI Kirchenreformer in der Mitte des 11. Jahrhunderts

der Widerspruch gegen solches Verhalten frei, wenn nötig sogar in Rom.1979
Weitere Beschlüsse in Tours betrafen andere Reformthemen wie Annahmen von
Kirchengütem aus Laienhand ohne bischöfliche Zustimmung, Verbot von Ni-
kolaitismus und Verwandtenehen sowie nicht-autorisierten Scheidungen, wobei
Schieffer hervorhob, dass die Besetzung von Kirchenstellen durch Laien nicht
strikt verboten, sondern sogar bedingt zugelassen wurde.1980 Schieffer vermutete
darin ein Zugeständnis der päpstlichen Legaten an die französischen Laien
aufgrund einer gespannten politischen Gesamtsituation.1981 Dies trifft sich mit
einer heikel verlaufenden Gesandtschaft, welche Stephan am Ende der Regie-
rungszeit Nikolaus' II. zum deutschen Königshof übernahm und von der Petrus
Damianis berichtet.1982 Damiani lobte Stephan ferner in seiner Schrift De bono
suffragiorum et variis miraculis wie auch in mehreren Briefen, die teilweise zu-
gleich an Hildebrand adressiert waren.1983 Daraus lässt sich auf eine örtliche

1979 31. Januar 1060 in Vienne, 1. März 1060 in Tours. Zu Vienne vgl. Collectio 19, Sp. 925f., wo die
Überlieferung zu Beginn des vierten Abschnitts abbricht. Da jedoch die Beschlüsse von Tours
ebd. Sp. 925C-928D augenscheinlich vollständig und die ersten drei Abschnitte identisch mit
denen von Vienne sind, könnten die Dekrete IV-X auch in Vienne verkündet worden sein. Es
bedürfte guter Argumente, wenn im burgundischen Vienne, das seit 1033 zum Reich gehörte
und durch den Antisimonisten Bischof Leodegar (s. unten Abschnitt VI.2.2.20) geleitet wurde,
qualitativ und quantitativ weniger rigoros die Umsetzung der Kirchenreform betrieben worden
wäre als in einem Bistum wie Tours, das zum Einflussbereich Heinrichs I. von Frankreich ge-
hörte. Ähnliche Überlegungen finden sich bei Bligny, Eglise 1960, S. 41.
1980 Th. Schieffer, Legaten 1935, S. 63.
1981 Auf einer explizit knappen Quellenbasis urteilte Th. Schieffer, Legaten 1935, S. 59f., dass das
Papsttum den König wie auch die Fürsten Frankreichs seit etwa 1059 „mit einer gewissen
Schonung behandelte", um sich nicht noch mehr Feinde zu schaffen, angesichts der gespannten
Beziehungen zum Reich. Eine andere Interpretation des Beschlusses, Kirchenstellen dürften
nicht ohne bischöfliche Beteiligung vergeben werden, bot Ziezulewicz, Law 1996, S. 36f.: Im
Beschluss von Tours werde die eigentliche Stoßrichtung der römischen Bestimmung deutlich:
„the motivating factor in the original prohibition was the necessity of involving the bishop in the
transaction. This Stipulation makes perfect sense in that one of the primary goals of the eleventh
Century reform movement was the restoration of the bishops authority over the diocese." Zie-
zulewicz räumte im Folgenden jedoch die mit dieser Interpretation verbundene Problematik ein.
1982 Nach der Disceptatio synodalis (Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 89, S. 560f.) sei der mit einem
Geheimschreiben erschienene Stephan nicht einmal zur Regentschaftsregierung vorgelassen
worden, sondern habe nach fünftägiger Wartezeit unverrichteter Dinge den Rückweg antreten
müssen. Das auslösende Moment für diese „ernste Verstimmung" bleibt nur zu vermuten. Vgl.
dazu nur die jüngsten Urteile von G. Martin, Herrscher 1994, S. 282 (das Zitat; rein kirchliche
Gründe); Tellenbach, Kirche 1988, S. F130 (päpstliche Normannenpolitik); Krause, Papstwahl-
dekret 1960, S. 135f. (disziplinarische Maßnahmen Nikolaus' II. gegen Anno von Köln).
1983 Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 49 im Herbst 1057 an Stephan selbst; Nr. 52 nach 1057 an die
römischen Priester B. und St., die gewöhnlich als Bonifatius von Albano und Stephan identifi-
ziert werden, vgl. S. 137, Anm. lf; Nr. 57 Juni-Dezember 1058 an den Papstelekten Gerhard von
Florenz und Hildebrand, S. 190, Z. lf: Petrus nennt einen nach Reindel mit dem Kardinalpriester
zu identifizierenden Stephan unter seinen ihm liebsten geistigen Freunden. Zudem lobt Damiani
ihn in Nr. 89, S. 560f. als mit allen Tugenden gesegnet. Weitere Belege bei Petrus Damiani, Briefe
4, Register S. 390.
 
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