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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 13.1914

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Dezember
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Breuer, Robert: Das Hamburger Kontorhaus: Neue Arbeiten von Fritz Höger, Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.48542#0742

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540
Man sieht, daß die Gestalt eines Kontorhauses,
wie Höger und wir mit ihm es begreifen, wirk-
lich nichts anderes ist, als ein klug gefügtes
Nebeneinander von geschäftlich geforderten Ein-
heiten. Das Kontorhaus ist ein Exzeß der Mono-
tonie. Solche Langweiligkeit ist seine Stärke; der
Architekt, der das Kontorhaus den Werten eines
Kunstwerkes nahe bringen will, kann nichts anderes
tun, jedenfalls nichts Besseres, als solchen prak-
tischen Monismus möglichst unverhüllt überall, in
der Ganzheit des Blocks wie in dem Ausdruck der
Einzelheiten, zu versinnlichen.
Es ist nun merkwürdig, daß oft genug der Kauf-
mann, aus dessen Wesen und Bedürfnissen heraus
der in Wahrhaftigkeit schöpferische Architekt den
Typus des nüchternen, völlig unpathetischen Kontor-
hauses schöpft,sich gegen diescheinbare Verarmung
eines erträumten und leider zu einem Teil gewohn-
ten Geldpalastes sträubt. So wird der Architekt
zu seinem Bedauern gezwungen, mehr zu geben
als er eigentlich möchte, mehr, als nützlich ist, um
den großen Rhythmus der in Gleichmäßigkeit
wiederkehrenden Achsen wirken zu lassen. Dazu
kommt ein anderer, noch weniger berechtigter
Gegner des architektonischen Radikalismus: die
Baupolizei. Sie erhebt allerlei technische und
soziale, selbst ästhetische Einwände; sie scheut das
Wagnis. Nun läßt sich die Zurückhaltung der
Überwachungsbehörde wohl verstehen; zu oft hat
sie die Übergriffe des bauenden Freibeutertums
abzuweisen gehabt. Dennoch wäre zu verlangen,
daß gerade die Baupolizei Unterschiede machte und
den strebenden Architekten, die die Grenzen nicht
wegen irgend eines schnöden Profites, sondern aus
formalem Drang durchbrechen, mehr Vertrauen
entgegenbrächte. Einem Mann von der Qualität
Högers gebührt ohne Zweifel das Recht, die Dis-
pense, die er fordert, zu erhalten. Eine Skizze, die
er dem oben erwähnten Aufsatz beilegt, zeigt, um
wieviel entschiedener er bei größerer Freiheit den
Typus des modernen Kontorhauses, den unver-
brämten, in kühler Nacktheit monumentalen Zweck-
bau, geleistet hätte. Er würde dann manchen Giebel,
manche mildernde Einzelheit, manche um der Hei-
matspolitik willen gesetzte Maske, die heute noch
seine eigentlichen Absichten verdeckt oder gar
stört, vermieden haben.
Weil nun aber einmal diese Welt sich aus Satz
und Gegensatz entwickelt, so muß jetzt schnell
gesagt sein, daß gerade eine dieser Hemmungen,

die gefühlvolle Neigung zum Heimatlichen, dem
Baukünstler Höger zu seinen besten Erfolgen ge-
holfen hat. Höger baut mit Backsteinen; er ist
einer der Wiedererwecker dieses, in den Zeiten
falschen Pompes und geschmackloser Mechanisie-
rung (sprich: ordinärer Maschinenstein) fast völlig
verdrängten, in Norddeutschland aber und besonders
an der Wasserkante durch Natur und Entwicklung
wurzelnden Baustoffes. Der Backstein, der die in
Gesundheit schwermütige Schönheit der Heide-
häuser bedeutet, und der den berufenen Hinter-
grund für die wallenden Dunstkreise der meernahen
Landschaft gibt, der Backstein, dessen Geschichte
zurückgreift bis in die Zeiten derersten Siedelungen,
der die trotzigen Dome, die selbstbewußten Rat-
häuserunddie blanken Bürgerwohnungen aufrichten
half, harrte lange genug der Künstler, die ihn in
alter und doch neuer Herrlichkeit wieder nützen
würden. Höger ist einer der Erwarteten. Es ist
dem jungen, im Dienste der Kaufleute stehenden
Baumeister nicht immer leicht gewesen, den kost-
barerem und angeblich allein würdigen Werkstein
zu verdrängen; jetzt aber, nachdem Höger und mit
ihm andere (Schumacher, der neue Hamburger
Stadtbaumeister muß besonders genannt werden)
eine ganze Schar ausgezeichneter Backsteintypen
geschaffen haben, ist Hamburg geradezu ein Vor-
ort des den Norddeutschen angestammten und ihnen
zuwachsenden Baustoffes geworden. Schon gibt
es ganze Straßen, ganze Viertel von Backstein-
häusern.
Die Angst, daß Backstein ärmlich wirke, ist
überwunden worden. Auch seine neuen Meister
haben es verstanden, ihn durch die architektonische
Form reich an Ausdruck und Kraft werden zu
lassen; sie fanden auch manche Hilfe zur Steigerung
der entscheidenden Form: Schmuck aus gebrannter
Erde oder mit Glanz überzogenem Ton. Zuweilen
und sparsam verwandten sie auch steinerne Zier-
rate. An Högers Bauten finden wir Proben aller
dieser Möglichkeiten. Er arbeitet erfolgreich mit
dem Bildhauer Richard Kuöhl; er hat — daran
könnte sich so mancher führende Baumeister ein
Beispiel nehmen — es gewagt, einen so eigenwilligen
Künstler wie August Gaul zum Genossen zu wählen.
Das war ebenso mutig wie klug. Die Plastiken,
die Gaul für das Klöpperhaus, Högers reifstes Werk,
schuf, steigern dessen klingende Klarheit und lassen
mancherlei Erinnerungen an die klassische Kauf-
mannsarchitektur von Florenz erwachen.
 
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