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RUNDSCHAU i
BERLIN - .• •— •=
Der Plan des Deutschen Museums rückt nun
schon in das Anfangsstadium der Greifbarkeit;
wenigstens in dem Sinne, daß ein Abbruch
regelmäßig einen Neubau oder die materielle
Möglichkeit eines Neubaus prophezeit. Ab-
gebrochen wird das vor wenig jähren prunk-
voll — aber ebenso unschön — erbaute Per-
gamonmuseum; wochenlang dauert schon der
Umzug jener kostbaren Diadochen-Trümmer
aus Kleinasien, die teils in Kellern des Neuen
Museums, zum größten Teil aber in der Säulen-
halle der Nationalgallerie auf Jahre hinaus ver-
staut und unzugänglich gemacht werden. Der
Säulenumgang Stülers wird zu diesem Zwecke
mit Brettern und Fenstern wettersicher gemacht,
mit anerkennenswertem Geschmack sogar. Das
Pergamonmuseum selber aber wird auf Abbruch
— sozusagen verschenkt.
Im Kunstgewerbemuseum findet in den
Sommermonaten eine so zeitgemäße als schöne
Ausstellung von Grabmalskunst statt. Sie
ist nicht rein ästhetisch-praktisch, sondern führt
in sehr wohltuender Weise durch historische
Entwicklung zu unsern neueren Bestrebungen,
ernste und sinnvolle Friedhofskunst an die
Stelle der abgeschmackten oder langweiligen
Gewohnheiten aus dem XIX. Jahrhundert zu
setzen. Der Direktor der Kunstgewerbe-Biblio-
thek Jessen hat sich mit dieser Ausstellung
wie mit mancher vorangegangenen im Museum
ein wirkliches Verdienst erworben, ein Verdienst
um die Förderung lebendiger Kultur und unserer
Zukunft. — Im Lichthof ist durch Photographien
und andere Abbildungen die Entwicklung des
Totendenkmals von den Griechen bis auf die
Zeit des Klassizismus und die heutigen Wald-
friedhöfe von München und Ohlsdorf gezeigt
und damit die Berechtigung und die Wurzel der
heutigen Kunst dargelegt. Ein praktischer Be-
weis in der Art eines kleinen intimen Fried-
hofes, wie er heute sein sollte, sein kann, ist
dann in dem hochstämmigen Parkrest des Kriegs-
ministeriums, der jetzt zur Kunstgewerbeschule
gehört, von Franz Seeck geliefert worden; eine
klare einfache Anlage, mit Grabsteinen von
Schmarje, Bernoully und anderen jungen Künst-
lern, wie ein winziger Abschnitt aus dem Ohls-
dorfer oder Münchener Friedhof wirkend. Er
atmet den Geist von Graessel und Messel, den
Geist der Sammlung und architektonischen Ruhe.
Wie ein Gegenstück hierzu — nicht im tak-
tischen Sinne — mutet die Nachricht an, daß
die im Mai abgebrannte alte Garnisonkirche
(ein nüchterner Bau Gerlachs von 1722) in dem
alten Zustand wiederaufgebaut werden soll;
nicht doch: in dem Zustand, in dem sie sich
nach den Veränderungen von 1900 befand; oder
vielmehr, um es ganz genau zu sagen: auch
nicht ganz so, sondern mit den und den Zutaten
und den und den Variationen. Eine Veränderung,
aber eine konservative; ungefähr wie jene alte
Hose, die am Ende nur noch aus aufgesetzten
Flicken bestand. Aber es war doch die alte
Hose. Vielleicht hat man aber alle Ursache,
damit zufrieden zu sein, weil sonst Herr Ihne
oder Herr Schwechten ihren Absichten an der
alten Stelle monumentalen Ausdruck verleihen
würden; ein Ziel, aufs innigste zu wünschen.
Aus den Ausstellungen ist nur Adolf Stäbli,
bei Schulte, zu nennen; und auch dieser Ein-
druck war nicht von der Art, die paar Bilder
von ihm auf der Jahrhundertausstellung, und
was man in München und Frankfurt von ihm
sehen kann, verblassen zu machen. Die meisten
der Gemälde geben nur Andeutungen seines
Wesens, nicht aber das große schwermutsvolle
Pathos dieses Schweizers, der seine künstlerische
Heimat — ein glücklicherer Nachfahr Gottfried
Kellers — in München fand, und der auf eine
bestimmte Richtung der Münchner Landschafter
Einfluß ausgeübt hat. Er selbst ist, trotz seiner
Ungleichheiten und oft mangelnder Konsequenz,
doch wohl größer gewesen als die Haider und
Toni Stadler. Davon was er war, spricht bei
Schulte eigentlich nur eine unvollendete Land-
schaft; packend, vielleicht nur noch packender,
weil unvollendet, durch die Einfachheit und die
Wucht ihres Aufbaus aus Felsenboden, großen
Bäumen und Gewitterhimmel. Man glaubt hier,
wie bei Schleich, Constable zu spüren, und
außerdem noch eine Apotheose auf Schirmers
bestes Teil, der ja auch Böcklin in seiner ersten
römischen Zeit nicht wenig gegeben hat. Es
ist recht eigentlich der Gegensatz zu dem Zufalls-
mäßigen und Auflösenden der Impressionisten,
der Stäblis Bilder groß macht. Er gibt das
Allgemeingiltige der Landschaft, nicht ihre mo-
mentane Laune, sondern das was bleibend ist
an Erdboden, Baum und Himmel, ihren gemein-
schaftlichen Gehalt, auch wenn er eine „Stim-
mung" malt. Die Stimmung ersdieint dann.
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Der Plan des Deutschen Museums rückt nun
schon in das Anfangsstadium der Greifbarkeit;
wenigstens in dem Sinne, daß ein Abbruch
regelmäßig einen Neubau oder die materielle
Möglichkeit eines Neubaus prophezeit. Ab-
gebrochen wird das vor wenig jähren prunk-
voll — aber ebenso unschön — erbaute Per-
gamonmuseum; wochenlang dauert schon der
Umzug jener kostbaren Diadochen-Trümmer
aus Kleinasien, die teils in Kellern des Neuen
Museums, zum größten Teil aber in der Säulen-
halle der Nationalgallerie auf Jahre hinaus ver-
staut und unzugänglich gemacht werden. Der
Säulenumgang Stülers wird zu diesem Zwecke
mit Brettern und Fenstern wettersicher gemacht,
mit anerkennenswertem Geschmack sogar. Das
Pergamonmuseum selber aber wird auf Abbruch
— sozusagen verschenkt.
Im Kunstgewerbemuseum findet in den
Sommermonaten eine so zeitgemäße als schöne
Ausstellung von Grabmalskunst statt. Sie
ist nicht rein ästhetisch-praktisch, sondern führt
in sehr wohltuender Weise durch historische
Entwicklung zu unsern neueren Bestrebungen,
ernste und sinnvolle Friedhofskunst an die
Stelle der abgeschmackten oder langweiligen
Gewohnheiten aus dem XIX. Jahrhundert zu
setzen. Der Direktor der Kunstgewerbe-Biblio-
thek Jessen hat sich mit dieser Ausstellung
wie mit mancher vorangegangenen im Museum
ein wirkliches Verdienst erworben, ein Verdienst
um die Förderung lebendiger Kultur und unserer
Zukunft. — Im Lichthof ist durch Photographien
und andere Abbildungen die Entwicklung des
Totendenkmals von den Griechen bis auf die
Zeit des Klassizismus und die heutigen Wald-
friedhöfe von München und Ohlsdorf gezeigt
und damit die Berechtigung und die Wurzel der
heutigen Kunst dargelegt. Ein praktischer Be-
weis in der Art eines kleinen intimen Fried-
hofes, wie er heute sein sollte, sein kann, ist
dann in dem hochstämmigen Parkrest des Kriegs-
ministeriums, der jetzt zur Kunstgewerbeschule
gehört, von Franz Seeck geliefert worden; eine
klare einfache Anlage, mit Grabsteinen von
Schmarje, Bernoully und anderen jungen Künst-
lern, wie ein winziger Abschnitt aus dem Ohls-
dorfer oder Münchener Friedhof wirkend. Er
atmet den Geist von Graessel und Messel, den
Geist der Sammlung und architektonischen Ruhe.
Wie ein Gegenstück hierzu — nicht im tak-
tischen Sinne — mutet die Nachricht an, daß
die im Mai abgebrannte alte Garnisonkirche
(ein nüchterner Bau Gerlachs von 1722) in dem
alten Zustand wiederaufgebaut werden soll;
nicht doch: in dem Zustand, in dem sie sich
nach den Veränderungen von 1900 befand; oder
vielmehr, um es ganz genau zu sagen: auch
nicht ganz so, sondern mit den und den Zutaten
und den und den Variationen. Eine Veränderung,
aber eine konservative; ungefähr wie jene alte
Hose, die am Ende nur noch aus aufgesetzten
Flicken bestand. Aber es war doch die alte
Hose. Vielleicht hat man aber alle Ursache,
damit zufrieden zu sein, weil sonst Herr Ihne
oder Herr Schwechten ihren Absichten an der
alten Stelle monumentalen Ausdruck verleihen
würden; ein Ziel, aufs innigste zu wünschen.
Aus den Ausstellungen ist nur Adolf Stäbli,
bei Schulte, zu nennen; und auch dieser Ein-
druck war nicht von der Art, die paar Bilder
von ihm auf der Jahrhundertausstellung, und
was man in München und Frankfurt von ihm
sehen kann, verblassen zu machen. Die meisten
der Gemälde geben nur Andeutungen seines
Wesens, nicht aber das große schwermutsvolle
Pathos dieses Schweizers, der seine künstlerische
Heimat — ein glücklicherer Nachfahr Gottfried
Kellers — in München fand, und der auf eine
bestimmte Richtung der Münchner Landschafter
Einfluß ausgeübt hat. Er selbst ist, trotz seiner
Ungleichheiten und oft mangelnder Konsequenz,
doch wohl größer gewesen als die Haider und
Toni Stadler. Davon was er war, spricht bei
Schulte eigentlich nur eine unvollendete Land-
schaft; packend, vielleicht nur noch packender,
weil unvollendet, durch die Einfachheit und die
Wucht ihres Aufbaus aus Felsenboden, großen
Bäumen und Gewitterhimmel. Man glaubt hier,
wie bei Schleich, Constable zu spüren, und
außerdem noch eine Apotheose auf Schirmers
bestes Teil, der ja auch Böcklin in seiner ersten
römischen Zeit nicht wenig gegeben hat. Es
ist recht eigentlich der Gegensatz zu dem Zufalls-
mäßigen und Auflösenden der Impressionisten,
der Stäblis Bilder groß macht. Er gibt das
Allgemeingiltige der Landschaft, nicht ihre mo-
mentane Laune, sondern das was bleibend ist
an Erdboden, Baum und Himmel, ihren gemein-
schaftlichen Gehalt, auch wenn er eine „Stim-
mung" malt. Die Stimmung ersdieint dann.