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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1908-1909

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H.-C., .../von: Heinrich Schickhardt der Baumeister von Herrenberg: zu seinem 350. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.7712#0144
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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

Die Eindrücke, die er beidemale in diesem Lande der klassischen Baukunst
empfing, sind in zwei noch erhaltenen Tagebüchern niedergelegt. Seine erste
„Raiß in Itaia" dauerte nur ungefähr 2V2 Monate und ging über Ulm
und Augsburg nach Oberitalien. Wir finden u. a. Mitteilungen aus Venedig,
Padua, Ferrara, Vizenza, Mantua, Mailand. Was ihn interessierte, zeichnete
er auf, nicht nur Fassaden von Kirchen und Palästen, Glockentürme und
Giebelfiguren, sondern auch allerlei mechanische Einrichtungen, wie Brücken-
konstruktionen, Schleusen und hauptsächlich Wasserwerke, wofür er eine be-
sondere Vorliebe zu haben schien. Dieselbe Vielseitigkeit des Interesses
bekundet sein ebenfalls mit einer Menge von Zeichnungen ausgestattetes Tage-
buch über die zweite italienische Reise (November 1599 bis Mai 1600), die
er als Begleiter Herzogs Friedrich unter dessen Gefolge mitmachte. Die Reise,
die er im Auftrage des Herzogs ausführlich beschrieb und in Druck gab,
führte von Stuttgart über den Splügen, Mailand und Genua nach Rom, von
da durch den Kirchenstaat, Ferrara, Mantua, Venedig über den Brenner zurück
in die schwäbische Heimat. Unverkennbar ist der Einfluß, den die Bekannt-
schaft mit den Renaissancebauten Italiens auf seine eigenen Werke ausübte,
bei dem Hauptwerk seines Lebens, dem Neuen Marstall-Bau in Stuttgart,
einer der schönsten Blüten deutscher Renaissance. Dieser Bau, mit dem er
sich seinem Vorgänger Beer und dessen Lusthaus ebenbürtig an die Seite
stellte, erhob sich an der Südostecke des alten Schlosses, unmittelbar an dieses
stoßend. Der Grund dazu wurde noch vor Antritt der italienischen Reise von
Herzog Friedrich gelegt, mit der Ausführung aber erst 1600 begonnen. 1609
war das Werk vollendet, das, 1757 durch Brand stark beschädigt, zwanzig
Jahre später vollends niedergerissen wurde. „Eine kleine Laune", so sagt
(1821) voll Schmerz über die Demolierung dieses Kunstwerkes Eberhard
von Gemmingen, der Biograph Schickhardts, „zerstörte es, und das deutsche,
das schwäbische Werk, das man noch im 19. Jahrhundert in Florenz mit
Achtung ansehen würde, ist in Stuttgart Rumpf und Stumpf wegrasiert, und
seine Stätte ist nicht mehr zu finden.'' Noch einen zweiten Prachtbau, den
Großen Bau, hat Schickhardt auf Befehl Herzogs Friedrich in Angriff genommen,
,,der hat sollen weit schener und groser werden dan der newe Marstalbauw'".
„Dieweil aber schwere Zeiten und Kriegswesen eingefallen ist solcher Bauw
wider eingestelt worden", als eben erst der Keller und das Erdgeschoß fertig
waren; dessen Fundamente wurden dann später zu dem sogenannten Prinzen-
bau verwendet. Den Bau dieser beiden Prunkbauten leitete Schickhardt von
Mömpelgard aus, wo seine Anwesenheit wegen des Neuaufbaues dieser Stadt
mit Kirche, Kollegium und Festungsanlagen dringend nötig war. Zu derselben
Zeit wurde nach seinen Plänen auch Freudenstadt angelegt und die Kirche
daselbst erbaut. Im Jahre 1608, mit dem Regierungsantritt des Herzogs
Johann Friedrich, wurde Schickhardt von Mömpelgard wieder nach Stuttgart
zurückberufen; was er von dieser Zeit an bis an sein Lebensende noch ge-
schaffen, davon gibt das von ihm aufgestellte Inventar Zeugnis. Beinahe
ans Unglaubliche grenzt die Tätigkeit und Vielseitigkeit dieses seltenen Mannes.
Er schuf neue und verschönerte alte Städte und Dörfer, erbaute eine Menge
(17) Kirchen, Schlösser, Schulen, Mühlen, Badeanlagen, Brunnen, Brücken,Wasser-
werke und Befestigungen, darunter die Festungen des Hohentwiel, Asperg und
Tübingen. Daß der Ruf von seiner Tüchtigkeit als Baumeister über die Grenzen
 
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