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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Elsaesser, Martin: Wandlungen der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0053

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WANDLUNGEN DER BAUKUNST

Von Prof EKaefler

Das Echo, das die neue Baukunft im Publikum häufig erfährt, gehf offenbar
von der Vorausfefjung aus, als ob diefe neue Baukunft die willkürliche Schöp-

|fung einiger weniger Architekten wäre, die dabei gern als befonders origi-
nalitäts- und modefüchtig oder gar als verrückt hingeftellt werden. Zweifellos
gibt es da und dort Architekten, die ein krampfhaftes Beftreben haben, um

[jeden Preis aufzufallen und die Dinge anders anzupacken, als man es bisher
gewohnt war. Die Architekten aber, die heute als Führer in der neuen Baukunft
auftreten, verdienen eine folche Beurteilung nicht. Sie haben teilweife ihr
ganzes Leben dafür eingelegt, ihre Überzeugung zu verwirklichen und haben
dabei Anfeindungen und Kämpfe und Entbehrungen auf fich genommen,
die ein Menfch, der nach äufjerem Erfolge ftrebt, niemals auf fich nehmen
würde. Der grofje Irrtum, der dem Publikum und auch vielen Architekten in
der Beurteilung der neuen Baukunft unterläuft, liegt in der Auffaffung: als
ob es in dem freien Willen des Künftlers läge, fo oder fo zu fchaffen, als ob
wir aus unferer Zeit heraus könnten und die Wahl hätten, hiftorifch oder
abftrakt, national oder international, klaffifch oder romantifch zu bauen. Der
Pfeudokünftler und Gefchäftsarchitekt kann das vielleicht, weil ihm Architektur
Mittel zum Zweck ift, der Architekt aber, der aus innerer Schau, aus innerem
Erleben heraus fchafft, kann es nicht, er mufj fchaffen in der Richtung, in der
er vom Innern heraus getrieben wird.

Rückwärts betrachtet, ift die Architektur ftets der Spiegel der Zeit gewefen,
fowohl in den Hoch-Zeiten der Kunft: der Gotik, der Renaiffance, im Barock,
als auch in den Zeiten kulturellen Niederganges. Sogar der Beamtenftil der
Jahre um 1860 und 1870, der Jugendftil um 1900 ift prägnantes, wenn auch
unerfreuliches Abbild der Strömungen, die diefe Zeiten charakterifieren.
Ii. Die je nachdem beglückende oder aber unerfreuliche Wirkung, die ein
folcher Zeitftil für uns hat, hängt wefentlich davon ab, ob die Faktoren, die
eine Zeit beftimmen, bejaht oder verneint, fchöpferifch geftaltef oder gehemmt
und dadurch verkrüppelt werden. Und die Frage, ob ein Zeitftiel nationalen
oder internationalen Charakter trägt, ift wefentlich von der Stärke der geifti-
gen Strömungen der jeweiligen Epoche beffimmt.

Die ffarken nationalen Tendenzen der Vor- und Nachkriegszeit fpiegeln fich
in deutlich nationalen, ftammes- und provinz-betonten Architektur-Geftal-
tungen, fpiegeln fich in der Heimatfchutzbewegung, die vor allem in Klein-
ftädten, auf dem Land und überall da, wo der Charakter der Umgebung eine
beftimmte Prägung bereits erfahren hat, ihre hohe Miffion erfüllt.
Die Grofjftadf dagegen kann von der Heimatfchutzbewegung wenig erhoffen.
Sie ift wefentlich von den grofjftädtifchen, übernational-international gleichen
Problemen beftimmt und nimmt ihre Impulfe vornehmlich aus den Gegen-
wartsproblemen und aus den Zukunftsftrebungen der Technik und der

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