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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Wichert, Fritz: Ein städtischer Kindergarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0118

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EIN STÄDTISCHER KINDERGARTEN

von Fritj Wiehert

In einem Häuferblock, den Architekt Roeckle für die Heimffäften A.-G. im
nördlichen Frankfurt an der Hallgartenftrafje errichtet hat, ift von der Stadt
einer ihrer Kindergärten untergebracht worden. Die Ausgeftaltung der auf
dreiStockwerke verteilten Räumlichkeiten lag in den Händen Ferdinand Kramers
Er hat diefe Aufgabe unter Mitwirkung faft der ganzen Klaffe für Möbelkunft
an unferer Kunftgewerbefchule zu löfen unternommen und dabei ein Werk
gefchaffen, das nicht nur Zweck, Wefen und Stimmung eines folchen Schuß-
bereichs für liebe Bübchen und Mädchen gerecht wird, und in wie zarter Weife
gerecht wird! — fondern das auch als wertvoller Beitrag für die Ausprägung
eines neuen Möbelftils betrachtet werden mufj.

Wie find nun hier die praktifchen, wie die feelifchen Zweckforderungen erfüllt
worden? Es gibt noch immer Leute, die folche Kindergärten fo bunt wie möglich
habenwollen: ftarke Farben überall und auf denFarben,auf Paneelen,Schrank-
türen, Tifchen und Wänden außerdem noch allerhand „luftige" Bilderkunft.
Wir find ganz anderer Meinung. Kinder find ja felber bunt in Wefen und
Erfcheinung und ihre Spielfachen find bunf,und was Kinder kriseln und malen,
im unbezähmbaren, unbemeifterten Geftaltungsdrang, das ift doch taufendmal
echter und beffer als läppifche Hottehüpferdchen, Puffpuffeifenbahnen, Bauern-
blumen und all das kindelnde Malwerk, das man kleinen Grofjaugen fo gerne
aufdrängen möchte. Aus diefer Einficht heraus wurde hier auf Buntheit ver-
zichtet, aber nicht auf Farbigkeit. Durch die Fenfter fcheinen reinlich gefugte,
hellrote Backfteinmauern, fchräg oben Sonne und Himmelsfläche. Wände und Bi|d 33. stuhl
Decken find weirj, die Böden und die Wandbekleidungen braunrot. In diefen
fehr klaren, luft-und lichterfüllten Raumgebilden find nun praktifche Schränke für
alle möglichen Sachen und viele rührende Tifchlein und Stühlchen zur Auf-
hellung gekommen. Farbenakkord: fchwarz-grau-weifj. Schwarz das auf den
Tifchplatten eingelegte Linoleum und vorkommende Greifleiften, weifj die
Hauptflächen, grau das Rahmenwerk. Auf den Vorplätjen auch lichtes Blau.
Alles ift fo einfach, fo klar, fo praktifch und doch nicht plump, viel eher anmutig.
Dafj diefe Stühlchen gut gedacht find, fieht man ihnen an: fie find ein bischen
wie die kleinen Kinder felbft. Schneewittchen bei den fieben Zwergen. Die
Schränke meiftens mit Schiebetüren, um Raum zu fparen, und unter weit-
gehender Ausnutjung der Vorfeile des Sperrholzes konftruiert. Auch fie trofj
aller Schlichtheit anmutig und fein. Ganz deutlich erlebt man hier die Ein-
heit der Formen von Haus und Schrank. Tritt diefe Einheitlichkeit fo klar zu
Tage, fo darf man annehmen, dafj ein neuer Stil im Werden ift. Die Tifche,
die in drei Gröfjen vorhanden find, laffen fich wie Bauklötje gruppieren und
zu allen nur denkbaren Gebilden zufammenftellen. Alle Möbel find lackiert
und leicht abwafchbar.

Der erfte Eindruck ift der der Aufgeräumtheit. Aufgeräumt im Sinne von heiter.

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