Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

DOI Artikel:
May, Ernst: Mechanisierung des Wohnungsbaues
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0045

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MECHANISIERUNG DES WOHNUNGSBAUES

Neben Nahrung und Kleidung gehört die Wohnung zu den dringenden
Bedürfniffen des Menfchen, fie ift ein Maffenbedarfsartikel. Für einen folchen
gelten die Forderungen gröfjter Zweckmäßigkeit bei gröfjter Wirtfchaftlichkeit.
Da die Wohnung die Kriftallifationszelle der Stadt verkörpert, deren Geftal-
tung alfo wefentlich beftimmt, mufj als weitere Forderung die nach Harmonie
des Einzelkörpers, fowie den aus ihm gebildeten Baugruppen und Stadtteile
erhoben werden.

Während wir feit geraumer Zeit Gegenftände aller Art, die der Maffe des
Volkes dienen, in rationellfter Weife produzieren, wobei fich befonders im
letzten Jahrhundert in immer ftärkerem Mafje eine Erlegung der Handarbeit
durch Mafchinenarbeit vollzog, bauen wir die Maffenwohnung noch heute aus
dem gleichen Stoffe, aus dem bereits die Ägypter um 3000v. Chr. ihre Siedlun-
gen fchufen. An fich bildete diefes ehrwürdige Alfer des Maurerhandwerkes
kein Argument, das zu einer grundfätjlichen Reform drängte, wenn nur die Qua-
lität des Ziegelmauerwerkes technifch und finanziell den modernen Anfprüchen
rationellfter Bauwirtfchaft genügte. Dies trifft jedoch nicht zu, wie die nach-
gehende Gegenüberftellung belegt. Wenn alfo die Bauwirtfchaftler unferer
Tage neue Baumethoden erfinnen, fo wie fie das auf dem Gebiete des In-
dustriebaues und des Gefchäftshausbaues unter weitgehender Verwendung
von Stahl, Beton und Glas längft getan haben, fo entfpringt diefes Streben
nicht irgendwelcher Neuerungsfucht, sondern dem ernften Beftreben, tech-
nifche Mängel und Leerläufe der feitherigen Bauweife zu befeitigen und
damit der Volkswirtfchaff unnötige Koften zu erfparen. Das Problem, das hier
geftellt wird, mufj als eines der wichtigften, aber auch fchwierigften der
Bautechnik betrachtet werden. Nur allmählich wird es gelingen, zu vollwer-
tigen Ergebniffen durchzudringen und auch diefes Ziel wird nur erreicht
werden, wenn behördlicher und privatwirtfchaftlicher Unfernehmungsgeift die
Bedeutung der Aufgaben erfaffen und bereit find, Opfer für ihre Lösung zu
bringen.

Die ersten Fortfehritte der Verbefferung der menfehlichen Lebensbedingungen
in primitiver Urzeit verdankten ihre Entftehung dem Selbsterhaltungstriebe.
Der gleiche Trieb ist es gewefen, der während des Weltkrieges die Völker
der Erde zum erften Male anftachelte, Verfuche grofjen Stiles anzuftelllen, um
die damals allgemein herrfchende Kohlennot zu überwinden und den Ziegel
als einen Baustoff, zu deffen Herftellung Kohle in grofjen Mengen benötigt
wird, zu erfefjen durch andere Baustoffe, die den koftbaren Rohstoff in gerin-
gerem Mafje verwendeten. So konftruierfe man zunächft noch unter Verwen-
dung des altbewährten Ziegelrohftoffes Hohlziegel von etwa fünffachen
Volumen des Normalfteines. Allmählich ging man zur Betonbauweife über
und fchuf unter Verwendung von Schlacke kleine Platten, Winkelsteine oder

33
 
Annotationen