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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Hába, Alois: Einige Bemerkungen zur Entwicklung der Vierteltonmusik
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0190

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EINIGE BEMERKUNGEN ZUR ENTWICKLUNG DER

VIERTELTONMUSIK Von Prof. Alois Häba, Prag

In der tfchechoflowakifchen Abteilung der internationalen Mufikausftellung in
Frankfurt a. M. werden drei Inftrumente gezeigt, die als Vierteltoninftrumente
ausgebildet find: ein Konzertflügel, ein Harmonium und eine Klarinette.
Diefe drei Inftrumente repräfentieren die Gegenwart. Eine grofje Anzahl ver-
fchiedener Inftrumente, die in der Ausftellung zu fehen find, gehören der
Vergangenheit an. Es liegt jedoch allen Inftrumenten die mufikfchöpferifche
Tat zugrunde, als Urheber der verfchiedenen Arten der inftrumentalen Formen,
der Sprachorgane der Mufik. Schönberg fchrieb vor mehreren Jahren in feiner
Harmonielehre, dafj die Vierteltoninftrumente entftehen werden, wenn die
Vierteltonmufik da fein wird. Die Entwicklung bekräftigt nachträglich feine
Meinung.

Vor acht Jahren war noch keine Vierteltonmufik da. Die kleineren Verfuche
von Stein, Möllendorf, Mager, Baglioni, Wyfchnegradski (vor 10 Jahren) find
eigentlich Halbtonmufik mit einigen Vierteltonftufen als Durchgangsintervallen,
ohne felbftändige Funktion im melodifchen und harmonifchen Sinne. In meinem
erften Vierteltonquartetf (Komp. 1919) erfcheint der neue Klang der 24ftufigen
Vierteltonleiter und aus ihr abgeleiteten neuen breiteren Intervalle (Dreiviertel-
Fünfvierteltöne, neutralen Terzen, Sexten u. a.) erffmalig als eine einheitliche
mufikalifche Geftaltung einer gröfjeren Form, ohne Vorbild im melodifchen
und harmonifchen Sinne. Seit diefer Zeit find zahlreiche Werke für Viertelton-
mufik von mir herausgegeben worden.

Im Jahre 1924 ift am Staatskonfervatorium in Prag die Kompofitionsklaffe für
Vierteltonmufik unter meiner Leitung gegründet worden. Auch die pädago-
gifche Tätigkeit mufjte vom neuen Standpunkt aus geffaltet werden. In den
legten 3 Jahren haben meine Schüler Karl Häba, Miroslav Ponc und Rudolf
Kubin auch einige Viertelton-Mufikwerke gefchaffen, die öffentlich aufgeführt
wurden.

Die von mir gefchaffenen Mufikwerke enthalten nicht nur einen neuen Klang,
fie repräfentieren auch einen neuen Stil freier Erfindung, die mit der Technik
der fchematifchen Verarbeitung nichts zu tun hat. Es ift wohl leicht, eine grofje
Mufikform zu fchaffen auf Grund der bis jetjt üblichen Schaffensart, die darin
befteht, dafj ein kurzes Thema, z. B. fünfzigmal in verfchiedener Tonhöhe mit
kleinen rhyfhmifchen Änderungen als Wiederholung erfcheint. Ich empfinde
folches Schaffen als billig und bequem. Die meiften Zuhörer empfinden es
noch nicht, aber fie werden es einmal auch fo empfinden. Meine Mufikformen
enthalten fo viel Technik, wieviel an mufikalifchen Einfällen vorhanden ift. Dies
ift meine fchöpferifche Grundforderung. Es ift auch möglich, auf diefem Wege
zur weitaus mannigfaltigeren und neuen Formgeftaltung zu gelangen, wohl
aber nur dann, wenn man mufikalifche Einfälle hat. Weil von mir vorläufig

Bild 22: NEGERTROMMEL

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