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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Holl, Karl: Sichtbare Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0185

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Bild 15: VITRINEN MIT LICHTSAULE

SICHTBARE MUSIK von d, Ka,i Hon

Ob Mufik fichtbar zu machen fei, das war die Frage. Bis die fertige Ausftellung
dem Auge Mufik in einer Fülle und Vielfeitigkeit hinbreitete, die zuvor keiner
geahnt hatte. Schon ihr Äußeres ift im übertragenen Sinne Mufik. Optifche
Mufik der Zeit, wie fie im Zufammenklang der Farben, in den Proportionen
der Linien ihr akuftifches Urbild noch gar nicht gefunden hat. Denn das wäre
ja jene neue „Klaffizität", die ein Bufoni prophetifch erfchaut und erfehnt hat;
nach der unfere Jungen noch taften. Doch macht auch das Innere diefer Schau,
der eigentlich mufikalifche Gehalt, für alle, deren Sinne fich wandeln können,
das Weltreich des Klanges über den Völkern in einem Mafje lebendig, wie
es im Sichtbaren umfaffender kaum gedacht werden kann.
Hauptvorzüge des Ganzen: fein Reichtum, feine Sachlichkeit, feine Syftematik.
Reichtum an koftbarften Dokumenten: an Handfchriften, Drucken, Inftrumenten,
Reliquien jeder Art. Sachlichkeit der Darbietung: in lichtdurchfloffenen, uniform
angelegten Räumen, ohne reklamehafte oder gefchäftliche Gebärde, ohne
irgend welchen fenfationellen Aufputz. Syftematik der Anordnung: entwick-
lungsgefchichtlich und folkloriftifch; mit Befchränkung auf das Wefentliche. Die
hiftorifche Abteilung vermittelt zunächft alles Prinzipielle, Sachliche, Begriff-
liche: das Werden der mufikalifchen Mittel und Formen; daneben in Stil-
zimmern mit Noten, Inftrumenten, Bildern, Möbeln und Plastiken ein deut-
liches Bild von der foziologifchen Bedeutung und Bezogenheit der Mufik in
den Epochen. Die ethnographifche Abfeilung ftellt, gleichfalls in zwiefacher
Gliederung, als geographifche Schau die Mufik der Völker aller Erdfeile dar;
als entwicklungsgefchichtliche Folge erläutert fie die mufikalifche Praxis an
Hand der wichtigften Inftrumente, vom Bambus und Kürbis bis zu den mo-
dernften Typen, mit Berückfichtigung der ethifchen Bedeutung diefes Mufi-
zierens. Befondere Kojen repräfentieren in gefchloffenen, vielfältig orientie-
renden Sammlungen die Mufikkulturen des Auslandes. Italien, öfferreich,
Frankreich zeigen als Stammländer europäifcher Mufikpflege und -Zivilifation
ihre einzigartigen Schäle. Belgien betont feine hiftorifche Bedeutung für Stil
und Klang. Ungarn, die Tfchechoflowakei undRufjland weifen fich als Heimat-
länder inftinktiver Mufikalität und als Befruchter des hochgezüchteten „euro-
päifchen Konzerts" aus. Auch Holland, Polen und die Schweiz treten ange-
meffen hervor. Die Abteilung „Mufikpflege der Gegenwart" führt durch das
weite, in Deutfchland jetjt mit Nachdruck angebaute Gebiet der Mufik-Er-
ziehung. Sie gibt Auffchlufj über das Mufikvereinswefen, den Mufikverlag
und die befonderen Einrichtungen einzelner Brennpunkte des Mufiklebens.
Sie illuftriert den Begriff der Oper im Aufbau alter wie neuer Szenik und
eines modernen Orchefters. Sie reicht fchliefjlich mit dem Inftrumentarium der
fymphonifchen Jazz-Kapelle bis an die Grenze einer neuen Mechanik des
Mufizierens heran, deren lefjte Konfequenz die Abteilung „Inftrumentenbau

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