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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Behne, Adolf: Kultur, Kunst und Reklame
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0078

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Wirklich, eine der fpafjigften Sachen, die man fich denken kann! In vielen
Fällen, wo uns Kunft entgegentritt, find wir berechtigt, nach den Gründen des
fchlechten Gewiffens zu forfchen. Eine beftimmte Sorte Kunft wäre möglicher
Gegenftand einer pfychoanalytifchen Unterfuchung.
Bleiben wir bei der Reklame!

Reklame mag an fich gut fein oder das Gegenteil, wünfchenswert oder ver-
werflich, notwendig oder Verfchwendung von Energien, fo ift fie doch auf
jeden Fall eine beftimmte Sache, mit ganz beftimmten Aufgaben, Zielen und
Mitteln.

Kultur . . , wenn wir den gouvernantenhaften Klatfch um den Begriff bei Seite
laffen, ift vielleicht als allgemeine Höchftleiftung aufzufaffen, wörtlich Pflege.
Eine Sache wird, meine ich, kulturell legitimiert dadurch, darj fie als das, was
fie ift, wahrhaftig, gut und prägnant gemacht wird. Alfo die Reklame, als wahr- mm '

Statt deffen aber fehen wir, daf) man die befonderen Aufgaben der Reklame, Bäj^^fi^F^^jQjSI

innerlich gehemmt durch die Arien der Kultur-Tenöre oft flüchtig, widerwillig,

alfo nur halb löft, und, weil man zu einer ganz exakten und durchdachten l[Kljg|l

Löfung fo nicht kommt, zu einem Künftler rennt, nicht, weil man annimmt, daf; HHlFj-p1 ^"""TTT^

der die lebte, klarfte Löfung bringen wird, fondern damit der Künftler durch 1|M 21-2? SOPT^i^^H

etwas Malerei, Plaftik, Architektur, Mufik, Dichtung, Tanz, Gefang den Auftrag- [ |l Eöp9mmm»^

geber wie das Publikum von dem innerften Wefen deffen, was man will, 8Wv.:"°^^P?'|f^^?.!V^;l ■^*-*r*^|8g

ablenke durch fchöne, bunte, ernfte, luftige Bilder, Figuren, Gefchichten, Anek- H

Wir füllten uns nicht verhehlen, daf) der Künftler in der Reklame nicht mehr Wk jjjfc it-pj^JBjiBBP^

zu fuchen hat als in der Medizin, der Kriminaliftik, dem Lokomotivenbau oder EUbL«'-"Wä ■■' '^/,J"'¥^^ßmStf^tm

in der Strafjenreinigung. Daf) man ihn in die Reklame hineingeholt hat, ge- KMaSBi " 81 ~ ^P^I^^hBP^^I
fchah mit keiner befferen Loqik, als mit der ihn ein Arzt an das Krankenbett

■ , ..Ii . r • r^. r • i . f. i i ■ Bild 21: STRASSENECKE IN AMSTERDAM

holen wurde, da er mit leiner Uiagnole nicht zultande kommt. Typifchei Beifpiel fchlechter Faffadenreklame

Solange man noch, um Reklame in einem kulturell verantworteten Sinne zu w —#<N?

treiben, des Malers und feiner Kollegen bedarf, beweift man, daf) man eigent- f^^j mri mSß

lieh eine fehr kulturlofe Auffaffung von Reklame hat.

Wird bei uns irgendwo von Reklame gefchrieben, gefprochen, über fie de- *"\^䣣!i
battiert, fo ift jedes zweite Wort: Kunft. Tatfächlich fcheint die allgemeine Mei- s ^sS^j&Z.

nung zu fein, daf} neben der Malerei, der Plaftik, der Architektur die Reklame A-jgg^Br1 Ik^jhB

die vierte der Bildkünffe fei. i» fffiftflE 1 mHp^
Dagegen lefe man die umfangreiche Tagesordnung des Kongreffes für Re-

klame, London Mai 1924, aufgeteilt gemeinfam von dem Associated Adver- ■ Badweiser |A

tising Club of the World, New York, und vom Thirty Club, London. Da finden ff ^^^^ | ^^hH

wir das Wort Kunft überhaupt nicht. bild 22. $tra$$enreklame in Detroit

Das bedeutet für den gebildeten Europäer, daf) diefe fcheuhliche, amerika- Diele Aufnahme hat der bekannte Architekt Erich

. . . 1 ..fn . Mendellohn anläßlich (einer Amerikareile gemacht,

nifche Reklame ja auch danach ausfieht, roh, unäfthetifch, wirklich fo, als ob man Sie find feinem Werke „Amerika, Bilderbuch eines

I. dm I Dil Ii Architekten" entnommen, das im Rudolf Moffe-

die Keklame der Keklame wegen machte. Buchverlag, Berlin SW 19, im Jahre 1926 erfchien.

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