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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Behne, Adolf: Kultur, Kunst und Reklame
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0079

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Sehen wir uns eine beliebige Strahenecke in Europa an, Abbildung 21, wo
man die Reklame der Kunft wegen macht und eine Strafje in Amerika, Ab-
bildung 22, wo man die Reklame der Reklame wegen macht!
Der Lefer wird fagen: diefe Ecke, Abbildung 21, herauszugreifen, fei parteilich;
es handle lieh da um ein ausgefucht gefchmacklofes Beipiel. Aber es kommt
ja gar nicht auf das bifjehen mehr oder minder Gefchmack an. Die Dinge
greifen viel tiefer, wie fchon daraus hervorgeht, dafj ja diefe Ecke um gar nichts
beffer würde, wenn jedes einzelne Plakat von einem Peter Behrens, Deffke,
Burchartj oder Dexel wäre.

Und auch an der Überladung liegt es nicht entfeheidend. Der New Yorker
Broadway, Abbildung 23, ift noch weit mehr beferjt mit Licht-Reklamen und
wirkt doch viel beffer.

Warum alfo ift die Amfterdamer Ecke fo fchlecht?
Bild 23: new york. Broadway bei nacht Weil jedes Plakat eine andere Grobe hat, andere Proportionen der Länge zur

Höhe, anders mit feiner Mitteilung im Felde fteht, andere Schriftzüge hat, ver-
fchiedene Richtung, Stärke, Gröfje der Schrift und ein anderes Verhältnis der
Schrift zum Bilde.

Und warum ift das alles bei jedem Plakate immer wieder anders? — Weil man
von der „Kunft" ausgeht. Dafj es in diefem Falle fchlechte Kunft ift, ift ganz
nebenfächlich. Es wäre im Prinzip nicht anders, wenn es befte Kunft wäre!
Dies ift keine Reklame-Ecke, fondern eine Kunftausftellung, wenn auch eine
fchlechte.

Der Künftler fchafft jedesmal neu bei jeder Platte Schrift, Proportion, Bild. Wo
bliebe denn fonft die künftlerifche Freiheit, an der man ihn erkennt?
Man mag an der Kunft der Reklame fo viel herumbeffern wie man will, man
wird über das Niveau diefer Ecke nicht hinauskommen, weil man die Löfung
von der Kunft aus fucht. Hat nun diefe Ecke auch nur die kleinfte Reklame-

Bild 24: NALHIAUrNAHMt AUi NEW YORK

Photo: Lönberg-Hoim.Ein Beifpiel klarer und wirkung? — Nein, jede Mitteilung verpufft. Der Amerikaner will in und von

einheitikn'e^ der Reklame nicht Kunft, fondern Reklame. Alfo Wirkfamkeif! Und es ftellt fich

nifchen Gegebenheiten herauS( ^ gu,e wirkfame Reklame nicht von der Willkür, Abfonderlichkeit,

Originalität des Drum und Dran abhängig ift, fondern von fachlicher, geifti-
ger Diszipliniertheit. Bei uns glaubt man, Reklame fei identifch mit Willkür,
Originalität um jeden Preis, Vordrängen, Kampf aller gegen alle mit Hilfe des
Ellenbogens! Aber nein, diefe Brutalitäten find, fo paradox es klingen mag,
die Begleiterfcheinungen nicht der Reklame, fondern der Kunft in der Reklame.
Der Amerikaner, wie feltfam! normalifiert und typifiert die Reklame! — nicht
aus Gründen äfthetifcher Polizei, nicht aus Kultur-Sentimentalität, fondern aus
Reklamegründen. Und fiehe, fo beweift er Kultur in diefen Dingen.
DieAbbildung 22 zeigt wie die Anfchlagtafeln auf derStrahe normalifiert find:
Emaillefchild mit dem Namen der Firma. — Profilierter eiferner Rahmen. —
Reflektoren von grofjer Lichtftärke. — Sfahlplatten 6:3m, befonders für das

Bild 25: STRASSENREKLAME IN LEIPZIG. Zerrif* . .. . , , a f ii i_i d ■ -i l f J

fenheit. Zappligkeit, unangenehm auffallend Ankleben präpariert. — Aufgeklebtes Papier mit weitem Grund.

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