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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Wichert, Fritz: Die städtische Kunstschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0097

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entftanden ift. Wo in der Welt ift Höheres zu finden, als die prometheifche
Fähigkeit, Leben zu erfinnen undWefen zu fchaffen, deren Befeelung ebenfo
unergründlich wie nachhaltig ift! Sollen wir diefe Fähigkeit preisgeben, nur
weil einige Leute von einer Panik ergriffen find? Oder weil es den Anfchein
hat, als fei wen igftens vorübergehend die Schöpferkraft des Menfchenerlofchen?
„Den viehifchen Gedanken" — um mit Albrecht Dürer zu reden — „nehmen
wir nit an",

Wenn die Stadt Frankfurt fich entfchloffen hat, auf den Fundamenten der
alten Städelfchen Zeichenakademie und der Kunftgewerbefchule des Poly-
technifchen Vereins eine neue grofje Lehrftätte für freie und angewandte Kunft
aufzubauen, wenn wir wirklich glauben, aus unferer Stadt einen Mittelpunkt
fchöpferifchen Geftaltens machen zu können, fo ift der Mut dazu nicht blind-
lings gewonnen. Er entfpringt geklärten Einfichten vom künftlerifchen Schaffen
und feiner Bedeutung auch für diefe Zeit, entfpringt der felfenfeffen Über-
zeugung, dafj fich die Zeit des geiftigen und formalen Verfalls dem Ende
nähert. Das Wort Luther Burbanks wirkt deshalb fo ffark auf uns, weil es ein
Amerikaner und ein Praktiker gefagt hat. So ift es: der Menfch braucht die
Schönheit wie feinen Herzfchlag, und auch dieStädte brauchen fie und können
auf die Dauer nicht ohne fie leben,

Der Aufbau der Frankfurter Kunftfchule entfpricht einer Akademie für freie und
angewandte Kunft und deckt fich im wefentlichen mit dem der Vereinigten ftaat-
B"id 6: werkstattarbeit liehen Kunftfchulen in Berlin. Im Sinne des Gedankens der „grofjen Klärung",

,,. .... . wie wir ihn im erften Heft ausgeführt haben, dient die Schule der Erziehung von

Geftaltern auf den beiden voneinander wefentlich gefchiedenen Hauptge-
bieten: Auf der einen Seite Zweckkunft: Grofj- und Kleinarchitektur,Häufer,
^^ai^ Möbel, Geräte, Teppiche, Reklame —auf der anderen Malerei, Bildhauerei,

m Graphik. Die Abteilung der praktifchen Geftaltung enthält, neuzeitlichen For-

\ M derungen entfprechend, Verfuchs- und Lehrwerkftätten für alle Fächer. Diefe

Werkftätten,ob fie nun der Herftellung von Möbeln, Geweben, Metallarbeiten
oder Büchern dienen, find Laboratorien der Form, in denen Schüler und Meifter
in engfter Berührung mit dem Werkftoff ihre Arbeiten technifch und künftlerifch
bis zur Modellreife durchbilden können. Den Architekten wird Gelegenheit
,r rnflrä gegeben, im Hochbauamt und durch feine Vermittelung an praktifchen Arbeiten

— auf dem Bau und im Büro — teilzunehmen. Eine befonders wertvolle Ver-
bindung mit dem praktifchen Leben erhält die Abteilung für Zweckkunft
dadurch, darj fie auf Grund von Abmachungen mit der Hausrat A.-G. und
der Erwerbsbefchränktenzentrale Modelle für die Maffenfabrikation diefer
Einrichtungen liefern kann.

Ift Kunft im eigentlichen Sinne auch nicht zu lehren, fo kann man begabten
Menfchen doch zur reinen Entwickelung ihrer Anlage verhelfen. Man kann
ihnen eine Gefinnung nahebringen, deren Betätigung vor Fehlleiftungen be-
wahrt. Vom Durchdringen diefer Gefinnung hängt alles ab. Selbft ein kleines

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