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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Kaufmann, E.: Frankfurter Kleinwohnungstypen in alter und in neuer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0155

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ERDGESCHOSS OBERGESCHOS*

aus den 60er Jahren

Man kann im 19. Jahrhundert fogar im Gegenteil beobachten, daß mit der
Zunahme an baupolizeilichen Beftimmungen die planmäßige und einheitliche
Geftaltung immer mehr zurückging. Zurückzuführen ift diefe Erfcheinung darauf,
daß mit der Umftellung der Wirtfchaft, mit dem wachfenden Zuzug der Land-
bevölkerung in die Großftädte eine Bodenwertfteigerung im Umkreis diefer
Städte und im Innern des Stadtkerns einfette, welche die Grundbefißer zu
einer fo mächtigen Partei machte, daß ihre Wünfche auch, wie es Eberftadf
in feinem Handbuch des Wohnungswefens fo treffend nachgewiefen hat, auf
die Geftaltung der Ortsftatute einen entfcheidenden, leider verhängnisvollen
Einfluß gewannen. So war es alfo nicht mehr wie in den Fürftenzeiten ein
repräfentativer Wille oder wie in der Biedermeierzeit ein vornehmer bürger-
licher Geftaltungsdrang, fondern in zunehmendem Maße der reine Verdienft-
ftandpunkt, der Gefichtspunkt der leßtmöglichen Ausfchlachtung des Grund
frankfurter grundrisstyp und Bodens, welcher die Typen der Zeit befonders nach dem deutfch-franzö-

fifchen Kriege beftimmte, denn von Typen kann man tatfächlich auch in den
Jahrzehnten vor dem Weltkriege fprechen, fo individuell fich auch fcheinbar
diefe Wohnhäufer mit ihren Giebelchen, Türmchen und verfchnörkelten Auf-
und Anbauten nach außen hin gebärden. Die Abbildung 29 zeigt zwei der-
artige Wohnungstypen aus den 80er und 90er Jahren, wie fie ähnlich in
Frankfurt am Main bis kurz vor dem Kriege erffellt wurden. Ein Vergleich
mit einem gleichzeitigen Berliner Grundriß (Abb. 30) zeigt zwar, darj in
Frankfurt die Verhälfniffe noch immer relativ günftig waren, weil fich hier der ge-
funde Sinn der Bevölkerung gegen eine Unterbringung in ungelüfteten Quer-
gebäuden und Seitenflügeln wie in Berlin gefträubt hat. Charakteriftifch für diefe
Frankfurter Miethausgrundriffe der Vorkriegszeit iftvor allem der Bauwichr
jene Gaffe beiderfeits der Grundftücksgrenzen, nach der in der Regel die
Treppenhäufer, die Küchen und verfchiedene Nebenräume gelegt wurden.
Da in den baupolizeilichen Beftimmungen gleichzeitig vorgefehen ift, daß
von jedem Grundftück nur ein beftimmter Prozentfaß bebaut werden darf, fo
ergibt fich, daß durch den Bauwich unbedingt eine Tiefenentwicklung der Ge-
bäude entfteht, welche für die Raumproportionen wenig glücklich ift. Außer-
dem muß es als ein großer Mangel diefer Wohnungen bezeichnet werden,
daß fie faft niemals Rückficht auf die Himmelsrichtungen nehmen können, weil
die Lage des Treppenhaufes am Bauwich mehr oder weniger zwangsläufig
ift. Wie verhängnisvoll das für Frankfurt werden konnte, das zeigen die in
diefem Heft bereits an anderer Stelle befprochenen Auffchließungspläne aus
den 60er - 80er Jahren, worin die Oftweftftraßen dominieren, fo daß wichtige
Räume der Wohnung faft ftets ohne jede Befonnung find.
Ein für die Zeit der 60er und 70er Jahre charakteriftifcher Typ der Frankfurter
Stockwerkswohnung gründet fich auf eine damals geltende Beftimmung der

" - Bauordnung, nach der mindeftens e i n Wohnraum an der Straße lieqen müffe.

Bild 29: frankfurter grundrisstyp aus den p.. , -t . r ■ (• 11 i w ri n i , j

80er und 90er Jahren Diele aus einer repralentativen tmltellung geborene Vorfchrift hat zu dem

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