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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Lurçat, André: Der Weg zur Terrasse
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0236

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bereits flach abgedeckt wurden, fo daß jetjt auch in zunehmendem Mafje eine
große Anzahl von Wohnhäufern flache Dächer erhält. Die technifchen Mög-
lichkeiten find gefchaffen, und eine vollkommene Wafferundurchläffigkeit
ift leicht zu erreichen. Der Zweifel ift alfo der Gewißheit gewichen. Was die
wirffchaftliche Seite betrifft, fo ift feftzuftellen, dafj das Flachdach billiger ift
als das Steildach. Das oberfte Stockwerk ift völlig gerade, und darüber können
Gärten, Sonnenterraffen ufw. angelegt werden: Eine ganz neue Fläche, ein
neuer Raum ift gewonnen — genug Beweife für die Überlegenheit des
flachen Daches. „.,.., . ,. .. TU.. , ^ .

Bild 16: Architekt Thilo Schoder, Weimar

Es mufj daher ausgefprochen werden, dafj diefe neue architektonifche Mög- WOHNHAUS GERA
lichkeit, deren Technik entwickelt genug ift, um den Anforderungen jeden
Klimas zu entfprechen, auch in Deutfchland, wie in allen anderen Ländern,
verwirklicht werden kann.

Es ift fehr bezeichnend, dafj die Architekten fchon feit vielen Jahrhunderten
diefen Weg gegangen find, den ich „den Weg zur Terraffe" nennen möchte.
Ich will mich etwas deutlicher ausdrücken: Seit dem Ende des gofifchen Zeit-
alters kann man beobachten, dafj die technifchen wie die künftlerifchen Be-
mühungen darauf abzielten, den horizontalen oberen Abfchlufj der Gebäude
zu erreichen. Wir fehen, wie jedes Jahrhundert feinen Teil zum Gelingen
diefer Abficht beitrug; fo haben die (teilen Schieferdächer des 16. Jahrhunderts
den gebrochenen Manfardendächern Platj gemacht; diefe wiederum werden
gegen Ende des 18. Jahrhunderts abgelöft von Blei- und Zinkdächern mit
geringer Neigung, die fogar hinter Baluftraden verfteckt werden, um fo den
Eindruck eines horizontalen oberen Abfchluffes vollkommen zu machen.
Technifch bringt auch das 19. Jahrhundert einen Fortfehritt mit dem Mafchinen-
ziegel, der nur eine leichte und fanftgeneigte Unterkonftruktion erfordert,
ohne dafj allerdings die äufjere Erfcheinung der Häufer aus diefer Zeit davon
einen Gewinn gehabt hätte, wofür aber die Urfache in dem allgemeinen
Tiefftand der Architektur diefes Jahrhunderts zu fuchen ift. Diefes Streben nach
Verwirklichung der Horizontale geht zweifellos Hand in Hand mit den fort-
gefefjten Bemühungen um ein vernunftgemäßeres Bauen. Die Wohnungen
in den Dächern des 16. Jahrhunderts mit ihren kleinen und mifjgeftalteten
Räumen haben nach und nach den Manfarden des 18. Jahrhunderts Platj
gemacht, diefe wiederum dem Speicher der folgenden Jahrhunderte, jener

Zwitterlöfung mit ihrer Raumverfchwendung. t
Unter einem Flachdach und unter einer Terraffe find die Räume kubifch, und
ift der Kubus nicht in der Tat die vernünftigfte und einfachfte Raumform für
ein Zimmer, fo einfach und rein, dafj er ganz felbftverftändlich fchon frühzeitig
in all den Ländern angewendet und dann auch beibehalten wurde, in denen
Niederfchläge wenig oder garnicht vorkommen? Ein mit einer Horizontale
abfchliefjendes Dach gewährt dem unbefangenen Befchauer viel größere wohnhausblock hermsdorf th.
äfthetifche Befriedigung als die Häufer mit Dächern in den Formen der ver- Biidi7: Architekt Thilo Schoder, Weimar





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