Bild 56: BAUHAUS DESSAU. Architekt Profeffor
Walter Gropius, Deffau.
und Automobile im Blitzzugtempo von einem Dörfchen zum andern jagen.
Die neue Baukunft (mitfamt dem wagerechten oberen Abfchluh) hat ihre eigene
Schönheit. Sie ift allerdings weder plaftifch, noch anthropomorph, noch aus-
gefprochen ausdruckshaft. Sie geht nicht wie die Baukunft mancher früheren
Epochen darauf aus, gleichfam als gefühlsdurchfränkte Verdichtung plaftifcher
Landfchaftselemente zu wirken, fondern fie bildet in ihrer Erfcheinung als
kriftallinifches Menfchenwerk, als Leiftung konduktiver Verftandesarbeit ganz
bewufjt den fchärfften Gegenfatz zur Natur (oder beffer noch: zum Nafur-
haften!). Diefer Gegenfatj — und darauf kommt alles an — wird fchliefjlich
zum Schönheitswert. Aus ihm erwächft für müde gewordene Sinne eine wun-
derbare neue Wirkung der gefamten natürlichen Umwelt. Alles organifch
Lineare, Flächige, Plaftifche und Farbige wird reich und doppelt lebendig
in folchem Gegenfpiel. Wie fangen die Stämme alter Apfelbäume an zu le-
ben, wie fängt Geäff und Gezweig an, zeichnerifch intenfiv zu werden vor
der klaren Kantigkeit neuer Bauten, wie reich wird Blattwerk und Blumenge-
fträuch angefichfs der lautlofen Flächigkeit diefes Stils. Wie ftark empfinden
wir plötzlich die Schwingung der Wiefe, überhaupt alle organifche Model-
lierung im Gegenfafz zur Stereometrie, die unendliche Tiefe der farbigen
Erfcheinung im Gegenfarj zu weifjen Wänden. Die Schönheit des Himmels
in ihrer ganzen dramatifchen Bewegtheit wird als gewaltiges Erlebnis erft
wieder gewonnen über Häufern im neuen Stil.
Hier offenbart fich uns die Folgerichtigkeit der neuen Architekturbewegung mit
feltfamer Klarheit. Die abftrakte Baukunft mufj auch geographifch univerfal fein
können, weil fie einem univerfalen Lebensvorgang entftammt. So hat fie fich
mit Eiche und Buche ebenfo innig anzufreunden wie mit Lorbeer, Pinie und
Palme, fie wird Nachbar fein von Wiefe und Kornfeld, von Weingärten und Bild 57: Dachterrasse des bauhauses.
n 11 \ki ■ i. -i /- i ■■ i i. i i-i. i i Architekt Profeffor Walter Gropius, Deffau.
öananenptlanzung. Wo immer lie ihre Uebilde erltehen larjf, da werden Palundritplatten.
208
Walter Gropius, Deffau.
und Automobile im Blitzzugtempo von einem Dörfchen zum andern jagen.
Die neue Baukunft (mitfamt dem wagerechten oberen Abfchluh) hat ihre eigene
Schönheit. Sie ift allerdings weder plaftifch, noch anthropomorph, noch aus-
gefprochen ausdruckshaft. Sie geht nicht wie die Baukunft mancher früheren
Epochen darauf aus, gleichfam als gefühlsdurchfränkte Verdichtung plaftifcher
Landfchaftselemente zu wirken, fondern fie bildet in ihrer Erfcheinung als
kriftallinifches Menfchenwerk, als Leiftung konduktiver Verftandesarbeit ganz
bewufjt den fchärfften Gegenfatz zur Natur (oder beffer noch: zum Nafur-
haften!). Diefer Gegenfatj — und darauf kommt alles an — wird fchliefjlich
zum Schönheitswert. Aus ihm erwächft für müde gewordene Sinne eine wun-
derbare neue Wirkung der gefamten natürlichen Umwelt. Alles organifch
Lineare, Flächige, Plaftifche und Farbige wird reich und doppelt lebendig
in folchem Gegenfpiel. Wie fangen die Stämme alter Apfelbäume an zu le-
ben, wie fängt Geäff und Gezweig an, zeichnerifch intenfiv zu werden vor
der klaren Kantigkeit neuer Bauten, wie reich wird Blattwerk und Blumenge-
fträuch angefichfs der lautlofen Flächigkeit diefes Stils. Wie ftark empfinden
wir plötzlich die Schwingung der Wiefe, überhaupt alle organifche Model-
lierung im Gegenfafz zur Stereometrie, die unendliche Tiefe der farbigen
Erfcheinung im Gegenfarj zu weifjen Wänden. Die Schönheit des Himmels
in ihrer ganzen dramatifchen Bewegtheit wird als gewaltiges Erlebnis erft
wieder gewonnen über Häufern im neuen Stil.
Hier offenbart fich uns die Folgerichtigkeit der neuen Architekturbewegung mit
feltfamer Klarheit. Die abftrakte Baukunft mufj auch geographifch univerfal fein
können, weil fie einem univerfalen Lebensvorgang entftammt. So hat fie fich
mit Eiche und Buche ebenfo innig anzufreunden wie mit Lorbeer, Pinie und
Palme, fie wird Nachbar fein von Wiefe und Kornfeld, von Weingärten und Bild 57: Dachterrasse des bauhauses.
n 11 \ki ■ i. -i /- i ■■ i i. i i-i. i i Architekt Profeffor Walter Gropius, Deffau.
öananenptlanzung. Wo immer lie ihre Uebilde erltehen larjf, da werden Palundritplatten.
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