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Oechelhäuser, Adolf von
Die Miniaturen der Universitäts-Bibliothek zu Heidelberg (Band 2) — Heidelberg, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.1414#0089
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— 82 —

oder minder gewaltsam eingefügt. Am interessantesten ist der auf fol. 70b gemachte
Versuch, das Initial V, in welchem ausnahmsweise einmal auch ein Mensch einem Büren
gegenüberstehend eingezeichnet, ist, mit einem nach oben auslaufenden Rankenzuge zu versehen
und hier in der Art einer drolerie eine Vogelgestalt anzubringen. Die Schwerfälligkeit
und Phantnsielosigkeit des Urhebers tritt deutlich zu Tage. Welch ein Unterschied zwischen
den gleichzeitigen vollendeten Leistungen der französischen Enlumineurs und diesen kin-
dischen Naehahmungsversuchen einer schweren deutschen Klosterfaust. Das Vorbild eines
Dornblattranken-Sehemas liegt zweifellos zu Grunde, erscheint aber unverstanden benutzt.
Der erwähnte Vogel selbst ist nicht minder stümperhaft gezeichnet, und nur mit Mühe
darin ein Storch, hauptsächlich an den langen Beinen, zu erkennen.

Auch zur Herstellung eines Bilder-Initiales ist der Versuch gemacht worden. Zu
Beginn des Buches erblicken wir nämlich innerhalb eines 21, sonderbar eingezwängt schwebend
einen Mönch in brauner Kutte, welcher mit beiden Händen ein Buch emporhält, also eines
der gewöhnlichen Dedikationsbilder, denen wir wiederholt schon begegnet sind. Der fleissige
Bruder Satler erscheint hier selbst verewigt, gerade wie in der folgenden Handschrift die
Schreiberin an derselben Stelle. Die Zeichnung der Figur ist besonders auch in der
Faltengebuno- unbehilflich und dilettantisch. In sonderbarem Gegensatze zu diesem, doch
immerhin weihevollen Momente der Ueberreichung des Buches an die (unsichtbare)
1 limmelskönigin findet sicli im Rücken des Mönches, innerhalb des Buchstabenkörpers,
hockend ein geckenhaft gekleideter Jüngling mit einer hohen Zipfelmütze. Der Sinn dieses
Scherzes ist nicht einzusehen; vielleicht dass der Schreiber sich in seiner früheren Eigen-
schaft als sündiger Weltmensch, vor Annahme der Kutte darin hat darstellen lassen.
Unten ist abermals der schwache Versuch einer drolerie gemacht. Die Handschrift ist
offenbar viel in Gebrauch gewesen und dementsprechend beschmutzt und abgegriffen; die
Farben scheinen aber von vornherein nicht leuchtend und klar gewesen zu sein. Im
Ganzen trägt auch diese Handschrift nicht dazu bei, die Achtung vor den Leistungen der
Salemer Schreibstube zu erhöhen.

Ein zweites Exemplar des über hymnorum et canticorum in etwas grösserem
Format (240 X 330 mm)

XXXVI. Cod. Sal. IX, 66

ist gleichfalls datirt und hinsichtlich der Urheberschaft bestimmt. Die betreffende Angabe
am Schluss der Handschrift auf fol. 151'> lautet: Istum librum procuravit frater Jacobus
de Lindaugia ad honorem sanete Marie virginis et eius filio [sie!] et ordinavit eundem in
chorum prioris, qui secus fecerit anathema coram summo Deo sit. Et scriptns est a
venerabili soroi-e Katherina de Brugg moniali in rubeo monasterio. Sab anno Domini

MCCCLXVI..... Entsprechend dieser Angabe sehen wir in dem Anfangsbuchstaben

auf fol. la die Verfertigerin der Handschrift in Xonnentracht und mit dem Buch in der
 
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