B. ENTWÜRFE ZUR EINLEITUNG NR. 7, 3
Nr. 8
DIE „ M A S S “ UND IHRE BEDEUTUNG IN ETHIK, NATUR UND DER
GESTALT DES MENSCHEN. NUT2EN DER MESSKUNST.
Weder von Dürers noch von Pirckheimers Hand. London 5230, fol. idf. (IV 82 oder m; IV 138 oder 172).
Zwei Blätter, das erste 32 X 22 cm, das zweite 32 X 21.5 cm. Ohne Wz. Vom ersten Blatt das obere Drittel
der Vorderseite beschrieben, vom zweiten Blatt die ganze Vorderseite und ein Teil der Rückseite. Die Vor-
derseite des zweiten Blattes ist oben stark verkleckst. Die Notizen wurden Diirer offenbar von einem huma-
nistischen Freunde zur Verfügung gestellt. Ähnliches liegt bei Nr. 10 vor und ist auch der Fall beim Entwurf
zur Widmung der Proportionslehre an Pirckheimer Bd I, Nr. 42.
Datierung: Lange-Fuhse schließen aus der Erwähnung des Pferdes und den optischen Notizen wohl richtig,
daß der Entwurf geschrieben wurde, als Dürer noch sein umfassendes Lehrbuch der Malerei veröffentlichen
wollte, also spätestens 1513, vermutlich aber schon früher.
Drucke: Zahn, S. 9 f.; Conway, S. 192 f. mit Teil-Faksimile von Fol. 17 auf der Schrifttafel; Lange-Fuhse,
S. 285.
[Fol. i6a]
Ich hab vernomen, wie der Siben Weysen auß Krie-
chenland ainer gelert hab, das dy mass in allen
dingen, sitlichen vnd natürlichen, das pest sey1,
weliche dan auch pey dem aller hochsten so hoch an-
gesehen ist, das er alle geschopft in zal, gewicht vnd
mass beschaffen hab2. Ist vngezweyfelt, das dye
jenen kunst vnd würkhung, so der mass ye mer
erayschen3 ye adelicher vnd wirdiger geacht werden
vnd darumb fur geseczt, ausgenomen dy gottlichen
kunst als theologia, methaphysica vnd auch dy lieb
naturlicher weyshayt. Ist keine, dy der mass mer
vnd jn manigfeltiger weg vnd gestalt notturfftig ist
als dy kunst der malerey, dy nit alain begert der
geometrei vnd arithmetica, vrsprung aller mass,
sunder vil mer der ander kunst anhengig kunst der
mass, als perspectiua, dy kunst des betrugs des ge-
sicht4, catoptrica5, geodesia6, chorographia7.
Nobiliores forme sunc mathematice in forma sphere.
Maxima pars creaturarum etc8.
[i7a] Dy weyl aber vnder allen creaturen der
mensch dy wirdigst ist, do das meyst, das man in
3. dingen] danach das pest sey in gestrichen; vnd] danach auch
in gestrichen. 4. dan] über auch. 7. jenen] über der
Zeile; mass ye] ye iiber der Zeile, darunter ye gestrichen. 9.
ausgenomen] über der Zeile. 11. Ist keine] iiber der Zeile.
12. vnd gestalt] iiber der Zeile. 15 ff. sunder bis gesicht
iiber der Zeile bzw. am linken Rande, vor sunder gestrichen
ander; in der Zeile gestrichen kunst dy von der. 16. mass]
danach sagen gestrichen. 18 f. Am linken Rande.
allem gemalen9 am maysten geprawcht, dy gestalt
der menschen wol her fur zw pringen, so auch kain
gethyer auf ertrich nichtz liebers sicht dan sein
geleychen, ist dy selb natur auch dem menschen, wie 25
ein yedes pey jm selbs emphindt.
Dy weyl auch dy mass des menschen zw mall schwer
zw ergreyffen ist, nit allain darumb, das dy figur der
menschen weder durch gericht10 oder cirkel lini ge-
stelt ist, sunder in krumpen vngeregelten linien be- 3o
griffen wirdet, ist zw mal schwer da von zw schrey-
ben vnd tractiren, als den wissenden der geometrey
wol kundt ist. Wen11 dy puecher Euclidis, des fur-
sten der geometrey, allain dy fadenrichten12 vnd
cirkel lini beschreyben vnd dy korper da mit be- 35
griffen13, als dy funf regularia Platonis14, kegel
vnd seulen15, vnd sust kain anderß messen leren.
Auch ist dy selbig maß nit, wie man sy bezaychen
oder malen sol, sunder was sy in sich halten oder
vmbgreyffen mugen16. 40
Das roß dem menschen das nuczlichist tier, das er
auch am maysten pegert zw lust vnd notturfft der
arbayt.
Catoptrica, specularia17, optica, perspectiva.
Vnser kunst ist nit alain den malern nutz vnd pild- 45
machern, sunder allen menschen, dy dy gemain mass
28. das] danach s gestrichen. 30. sunder] danach durch
krump vng gestrichen. 33 f. des fursten der geometrey] über
der Zeile.
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Nr. 8
DIE „ M A S S “ UND IHRE BEDEUTUNG IN ETHIK, NATUR UND DER
GESTALT DES MENSCHEN. NUT2EN DER MESSKUNST.
Weder von Dürers noch von Pirckheimers Hand. London 5230, fol. idf. (IV 82 oder m; IV 138 oder 172).
Zwei Blätter, das erste 32 X 22 cm, das zweite 32 X 21.5 cm. Ohne Wz. Vom ersten Blatt das obere Drittel
der Vorderseite beschrieben, vom zweiten Blatt die ganze Vorderseite und ein Teil der Rückseite. Die Vor-
derseite des zweiten Blattes ist oben stark verkleckst. Die Notizen wurden Diirer offenbar von einem huma-
nistischen Freunde zur Verfügung gestellt. Ähnliches liegt bei Nr. 10 vor und ist auch der Fall beim Entwurf
zur Widmung der Proportionslehre an Pirckheimer Bd I, Nr. 42.
Datierung: Lange-Fuhse schließen aus der Erwähnung des Pferdes und den optischen Notizen wohl richtig,
daß der Entwurf geschrieben wurde, als Dürer noch sein umfassendes Lehrbuch der Malerei veröffentlichen
wollte, also spätestens 1513, vermutlich aber schon früher.
Drucke: Zahn, S. 9 f.; Conway, S. 192 f. mit Teil-Faksimile von Fol. 17 auf der Schrifttafel; Lange-Fuhse,
S. 285.
[Fol. i6a]
Ich hab vernomen, wie der Siben Weysen auß Krie-
chenland ainer gelert hab, das dy mass in allen
dingen, sitlichen vnd natürlichen, das pest sey1,
weliche dan auch pey dem aller hochsten so hoch an-
gesehen ist, das er alle geschopft in zal, gewicht vnd
mass beschaffen hab2. Ist vngezweyfelt, das dye
jenen kunst vnd würkhung, so der mass ye mer
erayschen3 ye adelicher vnd wirdiger geacht werden
vnd darumb fur geseczt, ausgenomen dy gottlichen
kunst als theologia, methaphysica vnd auch dy lieb
naturlicher weyshayt. Ist keine, dy der mass mer
vnd jn manigfeltiger weg vnd gestalt notturfftig ist
als dy kunst der malerey, dy nit alain begert der
geometrei vnd arithmetica, vrsprung aller mass,
sunder vil mer der ander kunst anhengig kunst der
mass, als perspectiua, dy kunst des betrugs des ge-
sicht4, catoptrica5, geodesia6, chorographia7.
Nobiliores forme sunc mathematice in forma sphere.
Maxima pars creaturarum etc8.
[i7a] Dy weyl aber vnder allen creaturen der
mensch dy wirdigst ist, do das meyst, das man in
3. dingen] danach das pest sey in gestrichen; vnd] danach auch
in gestrichen. 4. dan] über auch. 7. jenen] über der
Zeile; mass ye] ye iiber der Zeile, darunter ye gestrichen. 9.
ausgenomen] über der Zeile. 11. Ist keine] iiber der Zeile.
12. vnd gestalt] iiber der Zeile. 15 ff. sunder bis gesicht
iiber der Zeile bzw. am linken Rande, vor sunder gestrichen
ander; in der Zeile gestrichen kunst dy von der. 16. mass]
danach sagen gestrichen. 18 f. Am linken Rande.
allem gemalen9 am maysten geprawcht, dy gestalt
der menschen wol her fur zw pringen, so auch kain
gethyer auf ertrich nichtz liebers sicht dan sein
geleychen, ist dy selb natur auch dem menschen, wie 25
ein yedes pey jm selbs emphindt.
Dy weyl auch dy mass des menschen zw mall schwer
zw ergreyffen ist, nit allain darumb, das dy figur der
menschen weder durch gericht10 oder cirkel lini ge-
stelt ist, sunder in krumpen vngeregelten linien be- 3o
griffen wirdet, ist zw mal schwer da von zw schrey-
ben vnd tractiren, als den wissenden der geometrey
wol kundt ist. Wen11 dy puecher Euclidis, des fur-
sten der geometrey, allain dy fadenrichten12 vnd
cirkel lini beschreyben vnd dy korper da mit be- 35
griffen13, als dy funf regularia Platonis14, kegel
vnd seulen15, vnd sust kain anderß messen leren.
Auch ist dy selbig maß nit, wie man sy bezaychen
oder malen sol, sunder was sy in sich halten oder
vmbgreyffen mugen16. 40
Das roß dem menschen das nuczlichist tier, das er
auch am maysten pegert zw lust vnd notturfft der
arbayt.
Catoptrica, specularia17, optica, perspectiva.
Vnser kunst ist nit alain den malern nutz vnd pild- 45
machern, sunder allen menschen, dy dy gemain mass
28. das] danach s gestrichen. 30. sunder] danach durch
krump vng gestrichen. 33 f. des fursten der geometrey] über
der Zeile.
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