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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0101

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B. ENTWÜRFE ZUR EINLEITUNG

B. ENTWÜRFE 2UR EINLEITUNG IN DAS LEHRBUCH DER MALEREI
UND IN DIE LEHRE VON MENSCHLICHER PROPORTION.

Im folgenden ist zunächst eine größere Anzahl von Niederschriften Dürers allgemeiner und grundsätzlicher
Art zusammengestellt, die man als Entwürfe und Notizen zur Einleitung in das Lehrbuch der Malerei
bzw. zur Lehre von menschlicher Proportion bezeichnen kann. Fast alle bekunden sie Dürers enge Ver-
schmelzung von Praxis und Spekulation.

Gedanklich schließen die Texte an die in der Inhaltsangabe zum ganzen Lehrbuch der Malerei angegebenen
Kapitel an und umschreiben und erweitern die dort fixierten Hauptpunkte und Untergebiete bes. I 3 „Von
der großen Nutzbarkeit, Lust und Freude des Malens“, II 1 „Von der Freizügigkeit des Malens“ und II 2
„Von der Messung des Menschen“, bis beinahe fertige Einleitungen in das Malerbuch vorliegen.

In einer der frühesten Niederschriffen erörtert Dürer die Bestimmung und Erziehung zum Maler, versucht
eine Definition des Malens und meint, bei der Unterweisungs des Lehrjungen sei es passend, mit der Ein-
teilung und Messung der menschlichen Gestalt zu beginnen. Sein Vorgehen ist dabei möglichst einfach und
ohne Geheimnistuerei. Alle, die in der Proportionskunde erfahren sind, sollen das ihre dazu beitragen und
seine Methode verbessern. Möge das Wenige, das er zu bieten vermag, von Kenntnisreicheren verbessert
werden. Darauf folgt eine lange Erörterung iiber die Bedeutung der Schönheit für den Maler und das
Wesen des Schönen. Im weiteren werden die Notwendigkeit und die Vorteile einer methodischen Grundlage
bei der richtigen Messung der Menschen besprochen.

Eine weitere Niederschrift beklagt den Verlust der antiken Kanonschriften und meint, wahrscheinlich sei
der heidnisch-mythologische Inhalt die Ursache gewesen, daß die christliche Kirche diese Schriften unter-
drückt und vernichtet habe. Weil nun aber die antiken Lehrbücher verloren sind, muß man trachten, neue
zu schaffen. Die Grundlage seines Vorhabens ist der Bibelsatz aus der Weisheit Salomonis 11, 21, von
Maß, Zahl und Gewicht.

Andere Entwürfe erörtern das dem Menschen angeborene Wissensverlangen, die Notwendigkeit des Lernens,
den Vorrang des Gesichtssinnes, die Hochschätzung der Malkunst bei den Alten, den göttlichen Ursprung
der Kunst und die Gottnähe des schöpferischen Künstlers und rechtfertigen die Malkunst und die Veröffent-
lichung der eigenen Erkenntnisse zum Nutzen des künstlerischen Nachwuchses.

In den Jahren 1510/13 tauchen in den Niederschriften Äußerungen apologetischen Charakters auf. Dürer
beginnt, seine kunsttheoretischen Bemühungen, das menschliche Erkenntnisstreben, die Wissenschaflen und
die bildenden Künste grundsätzlich und gegen verschiedene Anwürfe zu rechtfertigen und zu verteidigen.
Von besonderer Bedeutung aabei ist die in Nr. 5 enthaltene, mit einem Bibelhinweis gestützte Beweis-
führung, daß die Kunst von Gott herstamme und das künstlerische Schaffen eine imitatio Dei sei. Verfolgt
man diese Rechtfertigungs- und Abwehrbemühungen, so hat man fast den Eindruck, als hätten manche Zeit-
genossen Dürers allgemein theoretische, pädagogische und vor allem auf die Ergründung der menschlichen
Proportionsgesetze gerichteten Bemühungen nicht gebilligt, ja in ihm mit seinem künstlerischen Können und
seinen kunstwissenschaftlichen Bestrebungen eine Art Teufelsbanner gesehen.

Bevor Dürer dann auf die Messung von Mann und Frau eingeht, beschreibt er erst sein Meßinstrument, den
Teiler. Noch mehr als früher greifen die Niederschriften über in den darstellenden Teil. Gegen Schluß stehen
ein Arbeitsprogramm für das erste Buch der Fassung der Proportionslehre von 1523, Notizen und Konzepte
zur Einleitung dieser Fassung des Proportionswerkes und das Konzept zur ausführlichen Inhaltsangabe des
ersten Buches der Fassung von 1523.

Nicht alle Texte sind von Dürers Hand geschrieben. Die Ausführungen in Nr. 8 über die „Maß“ und ihre
Bedeutung in Ethik, Natur und Menschengestalt und über den Nutzen der Meßkunst stammen weder sprach-
lich noch inhaltlich von Dürer, sondern sind die Zugabe eines humanistisch gelehrten Freundes.

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