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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0371

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F. VON DER PERSPEKTIVE

F. VON DER PERSPEKTIVE — VON LICHT UND SCHATTEN

Aus der Vorrede und Inhaltsangabe für das Lehrbuch der Malerei ist zu entnehmen, daß Dürer im II. Buch,
3. Teil, auch von alledem handeln wollte, was man sehen könne, und dem Stiick, das man sich zur Nach-
bildung absondere. Dies sollte in sechs Kapiteln erfolgen. In Detailherungen des II. Buches, 2. und 3. Teil,
führt Dürer zunächst Abschnitte „Von perspevtiua“ und „Vom licht vnd schatten“, dann „Von abstelung des
man sicht. Daz all ding kan man durch tzeichen“ und „ Vom licht vnd schaten“ an. Gemeint sind die Perspec-
tiva naturalis wie die Perspectiva artificialis, Raumperspektive und Lichtperspektive. Gedacht war gewiß
auch an die nach bestimmten Gesetzen geregelte Verteilung der Lichter und Schatten, wodurch der Formen-
umriß und das Raumschema Körperlichkeit und Illusion erhalten1.

Was Dürer von seinen Ausarbeitungen zu den Perspektiv-Kapiteln des Lehrbuches der Malerei in die
beiden Auflagen der Unterweisung der Messung von 1525 und 1538 aufnahm bzw. was hineingelangt ist,
wurde zuerst von H. Staigmüller, Dürer als Mathematiker, Programm des Kgl. Realgymnasiums in Stutt-
gart 1890/91, S 43 ff., eingehend untersucht. Ihm folgte Panofsky, a a O, S. 14 ff., mit Einbeziehung
weiterer Materialien. In der Unterweisung der Messung werden fol. Osb ff. behandelt: 1. Die geradlinige
Fortpflanzung des Lichtes und die daraus sich ergebende Erscheinung des Schattenwerfens undurchsichtiger
Körper. 2. Einen Körper „auf seinem gefierten feld mit liecht und schatten in ein abgestolen gemel“ zu
bringen, d. h. ein den strengen Regeln der Perspektive entsprechendes Bild davon zu entwerfen. 3. Die
Lösung der Aufgabe, welche Dürer den „näheren Weg“ nennt. 4. Im perspektivischen Bild eines Quadrates
einen im Quadrate selbst bestimmten Punkt zu finden. 5. Vier Instrumente zum Durchzeichnen des mensch-
lichen Körpers und der Natur.

*

Die Grundlage für die Darstellung räumlicher Gebilde in einer ebenen Zeichenfläche in der Weise, daß die
Objekte auf der Bildfläche unter den gleichen Sehbedingungen erscheinen wie als Gegenstände im Raum,
in der von vorn nach hinten fortschreitenden Verkürzung, Größenabnahme und Änderung von Beleuch-
tung und Farbe, wurde vornehmlich von Euklid ausgebildet und im vierten Teil (Buch 11 bis 13) seiner
„Elemente“, der von den Körpern handelt, dargelegt. Auf Euklids Fundamentalsätzen der Perspectiva
naturalis oder communis stützte sich die ganze Künstlerperspektive der Renaissance und beabsichtigte auch
Dürer seine Darlegungen zu gründen. Dabei wollte er sich der Euklidischen Begriffe und Definitionen
bedienen.

Soweit wir aus den erhaltenen Nachlaßbeständen entnehmen können, fertigte Dürer zunächst auf den
elf Blättern London 5228, fol. 202a, 5229, fol. 77, und 5228, fol. 211 bis 219 (Nr. 1), einen ziemlich
vollständigen Abriß der Perspectiva naturalis oder Optica an. Die Seite 5228, fol. 202a, war die erstere
und Fragment gebliebene Niederschrift; 5229, fol. 77, wurde mit den gleichen Schriftzügen auf 5228,
fol. 211 ff., forgesetzt. Leider ist keines der Blätter datiert. Dem Schriftcharakter nach zu schließen,
sind sie wie in der hier gegebenen Folge zu reihen und stammen aus der Zeit bald nach der zweiten
Italienreise.

Dürer beginnt mit 8 einleitenden Sätzen über das Wesen und die Grundlagen der bildnerischen Per-
spectiva artificialis. Darauf folgen 10 „Furnehmungen“, die sachlich mit den ersten 10 der an sie an-
schließenden 11 „Supposizen“ (Voraussetzungen) identisch sind, und 40 „Theoremata“ (Lehrsätze). Der
Inhalt der 8 Einleitungssätze gleicht den Ausführungen des Piero de’Franceschi in seinem Traktat „De
prospectiva pingendi“.

1 Vgl. Kauffmann, AaO, S. 133 ff.; J. Meder, Die Handzeichnung, S. 309.

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