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Sauer, Joseph
Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters: mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis Sicardus und Durandus — Freiburg. i.Br., 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8576#0036

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2

Begriff und Entwicklung der Symbolik.

Leben. In der Beurteilung des Mittelalters werden wir die mafs-
volle religiöse Symbolik fast ganz auszuscheiden haben, weil diese
zum Wesen jeder Religion und besonders der christlichen gehört.
Durandus hat mit den in der ganzen mittelalterlichen religiösen
Litteratur fast stereotyp gewordenen Anfangs Worten seines Ratio-
nale: „Quaecumque in ecclesiasticis officiis ac rebus in ornamentis
consistunt, divi'nis plena sunt signis atque mysteriis, ac singula
sunt caelesti dulcedine redundantia: si tarnen diligentem abeant
inspectorem, qui noverit ,mel de petra sugere oleumque de duris-
simo saxo'" (Deut. 32, 13), den Grundgedanken und zugleich das
Programm der christlichen Symbolik überhaupt ausgesprochen. Jene
Worte enthalten aber auch eines der wichtigsten Gesetze der
Liturgie, die ja ganz auf der Symbolik aufgebaut ist. Symbol ist
nichts anderes als ein Bild zur Darstellung eines Gedankens oder
einer Thatsache, die nicht notwendig und ohne weiteres aus dem
Begriff jenes Bildes sich ergeben. Wenn der Inhalt der Religion
der übernatürlichen Weltordnung angehört, und wenn es dem Men-
schen nicht gegeben ist, allein mit seinen Kräften bis zu jenem
Bereich vorzudringen, so werden ihm dessen Geheimnisse nur unter
natürlich wahrnehmbarer Gestalt auf irgend eine Weise nahe-
gebracht werden müssen. Sichtbare Dinge müssen Bild und Gleich-
nis des Unsichtbaren werden, die uns vorliegenden müssen uns
erinnern an solche, die uns nicht gegenwärtig sein können1. So
haben wir in der ganzen liturgischen Einrichtung des Alten Bundes
nach einstimmigem Urteil der Tradition nur ein Bild des kommenden
göttlichen Reiches auf Erden vor uns 2. Aber auch nach Verwirk-
lichung dieses Reiches hat der Gebrauch von Bildern und Gleich-
nissen zur Versinnlichung religiöser Wahrheiten und Geheimnisse
nicht aufgehört. Vielmehr hat gerade das Christentum mit einer
bis dahin nie gekannten Schärfe das ganze Ziel des Menschen jen-
seits des Grabes, in die Ewigkeit verlegt, all sein Thun und Wirken
nur als Vorbereitung für das Leben in einer dem sinnlichen Auge
unfafsbaren, von Zeit und Raum in gleicher Weise unabhängigen
Welt hingestellt. Wenn aber die ewige Wahrheit und Weisheit in
Berücksichtigung der menschlichen Unzulänglichkeit den zu diesem
Ziele Berufenen das Wichtigste darüber sowie die Mittel und Wege
dahin offenbarte, und wenn diese Mittel vielfach als äufserliche

1 Vgl. Grimoüard de Saint-Laurent, Revue de l'art chretien VI, 41.

2 Kol. 2, 16. Hebr. 10, 1.
 
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