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Sauer, Joseph
Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters: mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis Sicardus und Durandus — Freiburg. i.Br., 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8576#0037

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Die Symbolik in der ältesten Litteratur

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Zeichen innerer übernatürlicher Wirkungen, in gewissem Sinne
adäquat der Art und Weise dieser Wirkung erscheinen, so hat
sich Christentum wie Offenbarung selbst als eine Approbation der
Symbolik erwiesen. Nach dem hl. Thomas sind in christlicher Zeit
die Hinweise auf Jesus Christus, den Weg zum Reich der Herr-
lichkeit, ihres vorbildlichen Charakters, den sie im Alten Bunde
hatten, entkleidet und zu Erinnerungszeichen für etwas Vergangenes
bezw. Gegenwärtiges geworden. Insofern aber Christus der Weg
.zu einem künftigen Leben ist, nehmen diese Erinnerungszeichen
•auch vorbildlichen Charakter an *. War somit die Kirche schon
durch das Wesen und den Inhalt ihrer Lehre auf den Gebrauch
des Bildes oder Symbols angewiesen, fand sie diesen Gebrauch vor
in den heiligen Schriften beider Testamente, so hat sie ihrerseits
ihn zu jeder Zeit sanktioniert durch ihre Lehre und ihre Praxis 2
Hat die Not in den*ersten Jahrhunderten vorübergehend ver-
anlafst, ihre heiligsten Geheimnisse und Wahrheiten sorgsam hinter
Bildern und allegorischen Darstellungen zu verbergen, um sie vor
Profanation zu schützen, so hat sie von Anfang an für alle Zeit
in ihrer Liturgie einen festen Grundstock von symbolischen Hand-
lungen und Lehren niedergelegt, der in grofsartig erhabener, durch
den Geist ihrer Urheber geläuterter Sprache' die Lehre von Jesu
Menschwerdung und Erlösung, vom Fall und der Erhebung der
Menschheit, vom grofsen Gottesreich auf Erden, das in den Urtagen
anhebt und seinen irdischen Abschlufs am grofsen W'eltgerichtstage
findet, von jedes Einzelmenschen Aufrichtung durch die Gnade
verkündet. Das heilige Mefsopfer, das sein Stifter ausdrücklich
als Erinnerung an seinen Opfertod bezeichnet hat, führt uns in
seinen Einzelheiten die Entwicklung jenes blutigen Dramas vor
Augen, in anderer Weise aber auch, die grofsen Marksteine im
geistig-übernatürlichen Leben der Menschheit, Erniedrigung und
Begnadigung der Einzelseele im Kampfe um ihr Heil. Im Kirchen-
jahr mit seinem Wechsel von Erinnerungsfeiern göttlicher Geheim-
nisse und von Heiligenfesten sowie mit seiner festgegliederten
Reihenfolge von Lektionen in Messe und kanonischem Stundengebet
wird dieselbe dreifache Gedankenabfolge entrollt, anschaulich und

1 Thom. A q., Summa theol. 1, 2, q. 101, a. 2.

2 Vgl. Ivo Carnot., Sermo 11, De purif. B. Mariae Virg. (Migne CLXII,
575 D): „Oonsuetudo ecclesiastica multas ex rebus gestis retinet similitudines,
quibus et rerum gestarum repraesentat veritatem et simplicium corda excitat ad
pietatem, ut per ea, quae foris venerantur, ad internorum amorem rapiantur."

1 *
 
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