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Schlesische Heimatpflege: Kunst u. Denkmalpflege, Museumswesen, Heimatschutz — Breslau, 1.1935

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Museumswesen
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Kohlhaussen, Heinrich: Die Magdalenenapostel
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https://doi.org/10.11588/diglit.19993#0210

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Entfernung durchzusetzen. (Gerade die Breslauer gotischen Kirchen
veranschaulichen die Unbekümmertheit der barocken Verschöne-
rungen.) Die fehlenden der ganzen Reihe mögen 1887 bei dem un-
glücklichen Turmbrande vernichtet sein, als man unvorsichtiger-
weise zur Feier des Geburtstages Kaiser Wilhelms auf der Turm-
brücke ein Feuerwerk abbrannte. Die Auffindung der erhaltenen
Figuren auf dem Kirchenboden über dem Chor im Jahre 1911 ließe
sieh so erklären, daß sie wegen der Turmerneuerung aus dem Wege
geschafft wurden. Im Jahre 1887 mag auch der Kopf des Torso
abhanden gekommen sein, als man Möbelwagen voll Einrich-
tungsgegenständen, Ornamente usw. aus der Kirche hinauswarf.
Auf diese Weise gelangte eine barocke Decke aus einem der Neben-
räume der Kirche in die Sammlung Agath. Durch eine überaus
glückliche Fügung ist unter Vermittlung des Provinzialkonservators
Herrn Dr. Grundmann, dem ich bei dieser Gelegenheit besonderen
Dank ausspreche, der fehlende Kopf in dem Meisteratelier von
Professor dell'Antonio in Warmbrunn zutage gekommen und im
Dezember 1934 dank dem einsichtsvollen Entgegenkommen des Be-
sitzers in das Museum gewandert1) (Abb. 115). Die Klarheit seiner
Form, die herbe, fast schwermütige Schönheit, die ihn vor den zeit-
lieh nahestehenden Aposteln auszeichnet, ist so konform dem Wesen
des Torso, daß die Zugehörigkeit auch ohne den passenden Ansatz der
Bruchstelle und ohne Kenntnis der materialmäfiigen und Größenum-
stände überzeugt. Der Vorbesitzer hat fehlende Locken ergänzt. Das
fleischfarbene Inkarnat des Halsansatzes vom Torso ist am Halse des
Kopfes nur noch in Resten erhalten. Seine andersartigen Schicksale
haben zur Entfernung dieses Inkarnats geführt, aber die darunter
erhaltene elfenbeinfarbene Grundierung hebt fast noch mehr die
Klarheit des Aufbaues hervor.

Für die absolute Datierung unserer Apostelfolge ist ein Hinweis
auf die riesige Bautätigkeit im Breslau des 14. Jahrhunderts un-
erläßlich. Genauer läßt sich sagen, daß der Bauzustand des Domes,
der Adalbert- und Elisabethkirche seit den 50er Jahren, derjenige
der Magdalenen-, Sand- und Corpus-Christi-Kirche seit den 40er

') Der Kopf hatte anscheinend allerlei Irrfahrten gut überstanden. Nach Aus-
sage der Vorvorbesitzerin befand er sich im ausgehenden 19. Jahrh. im Besitz
ihres Vaters, der in ßunzlau wohnhaft war und ihn als aus Bunzlau stammend
bezeichnete. Er hat dann die letzten 30 Jahre die Wege der Tochter begleitet
über Breslau nach Hirschberg und schließlich in einem Gartenhaus ein Asyl ge-
funden, von wo aus er der Holzschnitzschule in Waimbrunn als Studienobjekt
zuging.

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