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Schlesische Heimatpflege: Kunst u. Denkmalpflege, Museumswesen, Heimatschutz — Breslau, 1.1935

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Heimatschutz in Schlesien
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Franke, Heinrich: Bodenständige Holzbaukultur in den Sudetenländern
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https://doi.org/10.11588/diglit.19993#0269

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Heinrich Franke

Bodenständige Holzbaukultur
in den Sudetenländern

Das Werden der schlesischen und der sudetenländischen Kultur ist
bisher zu stark unier dem Gesichtswinkel der Einwanderung' von
Osten und Westen her betrachtet worden. Wie hypnotisiert hängt
alles an der Kolonialtheorie, als ob man die Rätsel, die die Eigen-
art Schlesiens wie kaum die eines anderen deutschen Landes auf-
gibt, mit diesem Schlüssel lösen könnte. Auf diesem von Natur so
reich gesegneten Boden sollte merkwürdigerweise nichts selbst ge-
wachsen sein: erst fränkische Bürgel' und Bauern hätten das Land
der Kultur erschlossen. Trotzdem aber trüge es noch unverkennbar
den Stempel der Vermischung mit dem Slawentum, infolgedessen
führte man alle baulichen Eigenarten der ländlichen Baukunst ent-
weder auf das Slawentum oder auf die westliche Einwanderung
oder auf beides zusammen zurück. Gehen wir jedoch den um-
gekehrten Weg und fragen wir die Bauten selbst, indem wir sie
technisch untersuchen, so will sich die hierbei gewonnene Erkenntnis
nicht in die bisherige Lehre fügen. Die technische Hausbauforschung
führt uns wie die Vorgeschichtswissenschaft zwangsläufig tiefer in
die Vergangenheit zurück und erinnert uns daran, daß es vor dem
Mittelalter noch ein germanisches und viel früher noch ein indo-
germanisches Zeitalter gegeben halte und daß beide, weil sie boden-
ständig waren, die seh lesische Kultur viel stärker bestimmt haben,
als man es heute gemeinhin wahlhaben will. Man hatte auch ver-
gessen, daß die ..Slawenzeil'" eine Verlallszeit gewesen ist und daß
die Eindeutschung im 12. und 13. Jahrhundert ohne Anknüpfung an
die bodenständige Kultur gar nicht durchführbar gewesen wäre.
Die elementaren Wahrheiten organischen Werdens lassen sich einer
Theorie zuliebe nicht beiseiteschieben.

Die Reste einer alten ländlichen Baukunst, die sich in Schlesien, in
der kausitz und in Nordböhmen linden, sind letzte Ausklänge einer
weitumfassenden bodenständigen Kultur. Die technische Unter-
suchung hat ergeben, daß es sich um selbständige Schöpfungen
handelt, die nur auf diesem Boden entstanden sein können.
Der dreiteilige Grundrißkern aller ländlichen Bauten in diesen Ge-
bieten, bestehend aus Wohn-, Flur- und Stallteil, findet sich mehr
oder weniger abgewandelt last überall in Oberdeutschland. Doch
der Aufriß hat mit der oberdeutschen Bauweise jenseits der Elbe-
Saale-Grenze nichts mehr gemein. Dies bezieht sich sowohl aul den

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