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Anton Schroll und Co. (Wien)
Almanach des Verlages Anton Schroll & Co: Kunst, Dichtung, Kunstgewerbe — Wien: Anton Schroll, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.68619#0163

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Vorwärtsschreiten geistigen Verfall. Vielleicht ist also
der Begriff „Fortschritt“ nichts als eine Utopie, er-
wachsen auf dem Boden materialistischer Denkungsart.
Fest steht jedenfalls nur, daß Kultur sich wandelt.
Den Gang dieser Wandlungen in den Einzelheiten zu
erforschen, man darf sagen, zu entwirren, ist Aufgabe
der Kulturgeschichte, ihr Wesen und ihre Gesetze auf-
zudecken, Angelegenheit der Geschichtsphilosophie.
Die Kultur ist nur eine, wie der Menschengeist
nur einer ist. Es mag, wenn man an der Oberfläche
bleibt, einen anderen Anschein haben. Denn wie und
weil die Menschen sich in Gruppen — Völker, Staaten,
Stämme — gliedern, verzweigt sich auch die Kultur
in tausend Äste, Kultur kreise, Kulturgruppen und
-grüppchen. Der Baum bietet sich hier als Bild an.
Und er kann als solches auch bestehen, wenn man
nur nicht vergißt, daß Vergleichen poetischer, nicht
wissenschaftlicher Wert zukommt. Der Baum wurzelt,
wächst und sendet Zweige aus und ist einer wie die
Kultur. Allein — um nur die wichtigsten und Wesent-
liches treffende Unterschiede hervorzuheben — der Ast
entspringt nur einer Stelle des Baumes und nährt sich
nur durch diese; er ist außerstande, sich Nährstoffe
von einem andern Aste her anzueignen. Ein Kulturkreis
hingegen steht immer auf den Schultern einer oder, wenn
die primitivsten Verhältnisse überwunden sind, mehrerer
älteren Kulturen und empfängt im Laufe seiner Ent-
faltung Einflüsse von allen Seiten. Dies macht es auch
unmöglich, die Kultur, im Sinne Spenglers, mit vielen
Bäumen zu vergleichen, die alle im gemeinsamen Nähr-

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