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Anton Schroll und Co. (Wien)
Almanach des Verlages Anton Schroll & Co: Kunst, Dichtung, Kunstgewerbe — Wien: Anton Schroll, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.68619#0019

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DER NÄCHTLICHE REISKLAUBER
Eine chinesische Erzählung
übertragen von
HANS RUDELSBERGER
Die Frau des Mandarinen Wang war ein hübsches,
aber leichtfertiges Weibchen, das es mit der ehe-
lichen Treue nicht eben genau nahm und wenn der
Gatte nachts vom Hause ferne blieb, heimlich den
Liebhaber ins Gemach einließ.
Da kehrte eines Nachts, als sie sich eben ihres
Liebsten freute, der Gatte unerwartet nach Hause.
Als die junge Frau die Stimme ihres Mannes er-
kannte, da erschrak sie nicht wenig und versteckte
rasch den Liebsten in einen Reissack und stellte diesen
hinter die Türe; dann eilte sie hinaus, um die Hoftüre
zu öffnen. Inzwischen hatte der Mandarin fortgesetzt
an diesem Tore laut geklopft.
„Verzeihet, mein Gemahl, Eure Sklavin war fest
eingeschlafen, und wie hätte sie Eurer Heimkehr warten
sollen? Habt Ihr doch gesagt,daß Ihr vor dem nächsten
Tage nicht ins Haus zurückkehren würdet.“
Da bemerkte sie in ihrer Angst erst, daß ihr Gatte
noch mehr als sie selbst am ganzen Körper zitterte.
„Um Himmels willen! was ist Euch geschehen?“
rief da die Frau und zog den Mann rasch ins Haus
herein.
Dort schöpfte der Mandarin tief Atem und begann dann:
„Heute abend ist es um mein Leben gegangen. Wenig
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