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— Ausgrabungen in Sendschirli, 4: Berlin: Druck und Verlag von Georg Reimer, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.49438#0035
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Der Nordwestbezirk.

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drücke der Türstöcke erhalten; hingegen wurde, wie nicht anders vorauszusetzen, keine Schale
für den Türzapfen gefunden; bei so kleinen Türen war natürlich auch die Pfanne nur aus
Holz, oft vielleicht nur eine Vertiefung in der Türschwelle.
In der Südecke des Badezimmers fanden sich im Schutte unmittelbar über dem Ziegel-
pflaster einige zusammen etwa nußgroße Stücke Auripigment. Man wird daraus schließen
müssen, daß schon damals die Sitte bestand, die Scham- und Achselhaare nicht mit dem
Messer zu scheren, sondern mit einer aus Auripigment und Arsenik gemischten Ätzpasta zu
entfernen. An Ort und Stelle werden heute für diesen Zweck teilweise1) europäische Schermesser
verwandt, aber der Gebrauch der Auripigmentpasta hat sich bei den orthodoxen Juden
in Rußland und Polen noch bis auf den heutigen Tag erhalten, hat also ein greifbar nach-
gewiesenes Alter von fast drei Jahrtausenden.
In der Mitte der Nordwand desselben Zimmers und mit ihr parallel stand eine leider
schlecht erhaltene Badewanne aus Bronzeblech, genietet und mit gegossenen Henkeln.
Damit wäre der Ausgrabungsbericht für den Nordwestbezirk zu Ende gekommen. Wir
haben da drei Bauwerke vor uns, J, K und L, die, wenn auch nicht gleichzeitig erbaut, so
doch jedenfalls gleichzeitig benutzt wurden. Das geht aus dem Verbindungsgang zwischen
J 3 und K 2 hervor und mit fast derselben Sicherheit auch aus der vollständigen Überein-
stimmung in den keramischen Resten aus allen drei Bauwerken. Der Orthostat am Eingänge
von J trug eine Inschrift von Kalamu, der, wie wir später hören werden, etwa um die Zeit
von 850 v. Ohr. anzusetzen ist. Wir werden also keinesfalls arg fehlen, wenn wir alle drei
Bauwerke in das neunte vorchristl. Jahrhundert verlegen; um 730 berichtet Barrekub von
ihrer Erneuerung, bald nachher ist die ganze Herrlichkeit zu Schutt und Asche geworden
und auch die Bauleute Asarhaddons haben um 670 nur vom Rande des Trümmerhaufens
einige Steine entfernt, ihn aber sonst im wesentlichen unberührt gelassen.
Jetzt, wo wenigstens die Grundrisse wieder freigelegt sind, würde es naheliegen, über
die Bestimmung jedes einzelnen Raumes nachzudenken. Das Ergebnis würde aber immer
wenig befriedigend bleiben, schon weil die alten Bewohner selbst zweifellos mehrfach die
Einteilung ihrer Räume geändert haben, und auch deshalb, weil wir nicht mit Sicherheit
wissen, wie viele Räume ein Obergeschoß hatten. Nach der Schichtung des Brandschuttes
und nach der Verteilung von Tonscherben muß ein Obergeschoß für den ganzen Komplex
von J 4 bis J 12 angenommen werden und ebenso für die Räume L 3 bis L 6. Die ersteren
sind natürlich von einer Treppe in J 10 aus erreichbar gewesen, die letzteren vielleicht von
K 4 aus, wobei allerdings angenommen werden müßte, daß dei’ Gang Gg überdeckt war.
Die großen Prunkräume J 3 und K 2, und ebenso J 2 und die beiden offenen Hallen J 1
und K 1 denke ich mir von doppelter Geschoßhöhe und daher ohne weiteren Aufbau. K 3
ist wohl ein Bad gewesen, da es über dem Kanal gelegen, und K 5 darf man vielleicht als
Küche ansprechen. Diesen beiden Räumen entspricht kein oberes Geschoß, die Mauern von
K 5 haben nicht einmal gute Fundamente. Ein dritter Grund der Unsicherheit ist rein
sprachlicher Art. Barrekub spricht in seiner Bauinschrift an einer Stelle, die nach der ganzen
Lage der Dinge nur auf die Gebäude des Nordwestbezirks bezogen werden kann, von einem
Winterhaus und einem Sommerhaus. Muß man deshalb wirklich etwa K (mit L?) für den Sommer-
palast und J für den Winterpalast halten? Oder kann man die Stelle so auffassen, daß da
nun ein Palast wieder erstanden sei, in dem man gut wohnen könne, im Sommer und im
Winter? Das ist eine Frage, die vielleicht die Semitisten werden lösen können; inzwischen
könnte man J für das eigentliche Wohnhaus des Königs halten, L für das Frauenhaus und
von K annehmen, daß es vorwiegend höfischer Repräsentation zu dienen hatte. Den großen
>) Mein Kollege Dr. Assadur Altounyan in Aleppo teilt mir mit, daß dort nicht nur die mohammedanischen,
sondern auch die armenischen Frauen niemals ein Schermesser verwenden, sondern stets die Atzpasta. Über die
psilothra der Alten denke ich an anderer Stelle ausführlich zu handeln.
Mitteilungen aus den Orient. Samrnl. Heft XIV (Sendschirli Heft IV). 35
 
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