Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

— Ausgrabungen in Sendschirli, 4: Berlin: Druck und Verlag von Georg Reimer, 1911

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49438#0101
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Grabstelen.

327

Die auf einem Schemel ruhenden Füße sind mit niederen Schuhen bekleidet. Ober-
halb der Knöchelgegend scheinen reich verzierte Fußspangen angedeutet; doch ist nicht ganz
ausgeschlossen, daß es sich da nur um eine Verzierung des oberen Randes der Schuhe handelt.
Der Königin gegenüber steht auf der linken Seite des Reliefs ein sicher sehr jugend-
licher, aber auch schon seines Ranges wegen entsprechend kleiner dargestellter Diener mit
unbedecktem Haupt, aber langem, sorgfältig geordnetem Haar; besonders vor dem Ohr hängt
eine Stirnlocke bis über den Unterkieferwinkel herab. Der Jüngling hat einen eng an-
liegenden, bis an die Knöchel reichenden ganz glatten Rock mit kurzen, nur etwa die Hälfte
des Oberarms deckenden Ärmeln. Die Füße scheinen mit dicksohligen Sandalen bekleidet,
jeglicher Schmuck fehlt. In der erhobenen Rechten trägt der Jüngling einen etwas unbe-
holfen dargestellten Wedel mit drei an einem Stiel befestigten Federn. Wie solche Wedel
in Wirklichkeit ausgesehen haben, ist am besten aus zwei fast gleichzeitigen Darstellungen
zu entnehmen, die hier auf Taf. LXVII und auf Fig. 256 abgebildet sind. Die gesenkte Linke
hält zwischen Ring- und Mittelfinger der fast zur Faust geschlossenen Hand ein leicht
sichelartiges Messer von eher ungewöhnlicher Form; doch scheint einer der beiden Leute,
die auf dem Fig. 257 abgebildeten, leider unvollständigen Stein der Barrekub-Fa^ade dar-
gestellt sind, ein ähnliches Messer und gleichfalls in derselben auffallenden Art zu halten.
Zwischen den beiden Figuren befindet sich der für die Grabreliefs dieses Kulturkreises
so charakteristische Tisch mit dem Totenmahle. Die beiden in der Seitenansicht sichtbaren
sich wie bei einem Klappgestell kreuzenden Beine sind an der Kreuzungsstelle übereinander
„geplattet“. Die Füße selbst sind in der Art von Tierfüßen gebildet und ruhen auf niederen,
etwa T-förmig gestalteten Untersätzen. Zwischen den oberen Hälften der beiden Tischbeine
ist noch eine dritte, senkrecht gestellte, Stange sichtbar, oben und unten anscheinend mit
einer Rosette verziert, deren technische Bedeutung unverständlich ist. Ganz gleichartige
kurze Stangen befinden sich übrigens auch sonst bei einigen Tischen auf nordsyrischen Grab-
reliefs, aber nur bei einer Minderzahl. Die Mehrzahl hat einfach nur zwei gekreuzte Beine.
Daß derartige Tische, wie manchmal geschieht, als „Klapptische“ bezeichnet werden, ist
wohl unrichtig; schon ihr sehr fester Bau scheint dem zu widersprechen.
Auf der Tischplatte ist zunächst eine Schüssel dargestellt, die wir uns wohl aus Stein
(Dolerit oder Serpentin) zu denken haben, mit drei oder vier Füßen, von denen das Relief
natürlich nur zwei erkennen läßt. Auf der Schüssel liegen vier flache Brote und auf diesen
noch zwei etwa eiförmige Gegenstände, vielleicht wirkliche Eier. Neben dieser großen
Schüssel liegt auf einem kleinen Gefäß anscheinend ein Fisch. Neben dieser noch eine flache,
runde Schale mit Fuß und daneben noch eine runde Pyxis mit Deckel.
Die ganze Darstellung ist gekrönt und gleichsam zusammengehalten durch eine große
geflügelte Sonnenscheibe, die in sehr auffallender Art schon an den zweiköpfigen Adler er-
innert. Tatsächlich finden wir wirkliche zweiköpfige Adler schon auf den Reliefs von Boghasköi
und Üyük. Ich vermute, daß diese sich unmittelbar aus einer geflügelten Sonnenscheibe ent-
wickelt haben, die der unseres Grabreliefs sehr ähnlich gewesen sein muß. Derartige Ent-
wicklungen sind auf den Gebieten klassischer und orientalischer Kunst bisher weniger be-
achtet worden; sie sind dafür den Ethnographen um so geläufiger1).
Die doppelköpfigen Adler von Boghasköi und Üyük, die aus dem lebenden Felsen ge-
meißelt, immer offen sichtbar gewesen waren, sind später von den Seldschuken-Sultanen2) als
9 Vergl. v. Luschan: „Beiträge zur Völkerkunde der deutschen Schutzgebiete“ Berlin. D. Reimer. 1897. Ein
besonders schönes Beispiel solcher Übergänge ist durch die 30 Abbildungen der Tafel XXXVIII gegeben, aber auch die
Tafeln XXXII und XXXXIII sind in dieser Beziehung lehrreich und überzeugend.
2) Zuerst im Jahre 584 d. II. (1186) auf einer Münze des Imäd-eddin Zengi von Sindschar, später mehr-
fach auf Münzen des Ortokidischen Herrschers von Keifa und Amid Nasir-Eddin Mahmud, der von 567 bis 619 d. H.
(1292 bis 1321) regierte. Vgl. D. II. Nützel in Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der Numismat. Gesell-
schaft. Berlin. 1893, S. 136.

43*
 
Annotationen