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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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III. und IV. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Der menschliche Körper, [2]: Beiträge zur Muskellehre
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0084

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im Wien der vormärzlichen Zeit war Fischers Figur für die Künstler
maßgebend und sogar nach außen hin ist diese treffliche Arbeit durch Ab-
bildung und Nachformung bekannt genug geworden. Freilich schweigen sich
die meisten Handbücher für Künstleranatomie darüber gründlich aus, obwohl
sie die günstig gewählte Körperstellung zum Vorzeigen der großen Muskeln
benutzen Wertvolle Mitteilungen über Fischers Figur finden sich bei
L. Choulant in der „Geschichte und Bibliographie der anatomischen Ab-
bildung" (Leipzig, Weigel, 1852). ln neueren Zeiten ist freilich Fischers
Muskelmann durch viele andere, sich vordrängende Arbeiten etwas ins
Dunkel gerückt worden. E. Cuyer und M. Duval in ihrer „Histoire de
l'anatomie plastique" (1898) haben von Fischers Figur überhaupt keine
Kenntnis, obwohl sie auf andere alte Muskelfiguren, z. B. auf Cigolis Muskel-
mann, auf Cesios Anatomiefiguren, auf Bouchardons, Houdons und anderer
Figuren, auch auf den: Gladiateur combattant des Salvage, liebevoll ein-
gehen.
Houdons Muskelmann mit einem halb erhobenen rechten Arm und
dem Vorgesetzten linken Bein mag eine allgemeine Anregung für Fischers
Figur abgegeben haben (auch Bouchardons Muskelfiguren können anregend
gewirkt haben). Durch das kräftigere Herausarbeiten der Muskeln aber für
Lehrzwecke im Gegensatz zu Houdons mehr künstlerischer Auffassung, die
eine gewisse Elegarrz bevorzugt, ist Fischers Figur dennoch eine recht eigen-
artige Leistung, die doch wieder in ihre Rechte eingesetzt werden sollte.
Ich bilde, um an sie wieder zu erinnern, eine Ansicht aus der eigenen
Veröffentlichung des Künstlers von 1803 ab (vgl. Tafel XVI) und füge einige
Worte über die Entstehungsgeschichte der Fischerschen Figur hinzu.
J. M. Fischer (geboren 1740 zu Bebele im Algäu, gestorben 1820 in
Wien") war eine ernstere, tiefere Natur als viele seiner tonknetenden Kunst-
genossen. Er verschmähte keineswegs die Wissenschaften und las mehr, als
man es gewöhnlich vom Bildhauer sagen kann. Der Bau des menschlichen
Körpers und dessen Zergliederung hatte ihn früh gefesselt und unter steter
Beihilfe des Anatomen (und Augenarztes) Professor Josef Barth modellierte
er 1783 zuerst im kleinen den Muskelmann, den er erst zwanzig Jahre
später auf Fügers Veranlassung in starker Lebensgröße ausführte. Professor
*) Die Literatur über J. M. Fischer ist nicht ganz unbedeutend, aber recht heim-
tückisch verteilt, ln der „Beschreibung einer Reise . . ." im Jahre 1781 (IV, S. 514)
meldet Fr. Nicolai von Fischer, der „ein geschickter Bildhauer" genannt wird: „Auf
Kosten der höchstseligen Kaiserin war er nach Italien gesendet worden. Es stehen
von ihm zwei Statuen auf dem neuen Flügel des Rathauses. Auch hat er einen Gla-
diator in kleiner Natur fürdenkgl. preußischen Residenten Herrn Jacobi gemacht." Vgl.
auch Füßlis „Annalen . . .", 11, S. IX, 11, 23, 29ff. bis 49, ferner die Nachträge zu
Füßlis großem Künstlerlexikon, Meusels „Museum", 111, S. 47ff., Küttners „Reisen
durch Deutschland . . (1801), 111, S 220ff., Hormayrs „Archiv . . .", 1825, S. 690
(Gruppe der drei Grazien für Eisgrub), die Zeitschrift „Libussa" von 1846, S. 373. Die
gewöhnlichen Nachschlagebücher für Wien und dessen Umgebung werden an dieser
Stelle nicht im einzelnen genannt, obwohl sie genug des Beachtenswerten über Fischer
enthalten. Auch die biographischen Lexika werden diesmal nicht aufgezählt als leicht
auffindbar. Mehr abgelegen ist die Stelle bei Fr. Reber: „Die Korrespondenz zwischen
Kronprinz Ludwig von Bayern und Dillis", S. 425 (zu Fischers Tätigkeit für die Wal-
halla bei Regensburg), und andere in „Briefe aus Italien von Jul. Schnorr von Carols-
feld" (1886), 1, Brief 8 (Fischer 1818 in Rom). Damit wollen nur Andeutungen gegeben
sein. — Im Archiv der Wiener Akademie viele Urkunden, besonders zu den Ansprüchen
der Witwe.
 
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