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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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V. und VI. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Waldmüllers Beethovenbildnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0113

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Auf solche Gedanken komme ich, wenn ich die neuesten Veröffent-
lichungen (man erlasse mir in diesem Falle die einzelnen Flinweise) über
Waldmüllers Beethovenbildnis mit den Urteilen der Zeitgenossen des
Malers und seines Modells vergleiche und überdies die Angelegenheit
nochmals kritisch durchnehme, die ich vor einiger Zeit im i. Band
(S. 115ff.) der „Beethoven-Studien" besprochen habe; wie es sich gezeigt
hat, tauben Ohren predigend. Aus dem erwähnten Buch wiederhole ich mit
gütiger Erlaubnis des Herrn Verlegers Georg Müller in München die Ab-
bildung des Waldmüllerschen Beethovenporträts*)- Es ist durch die Aus-
stellung im Leipziger Kunstverein 1915 neuerlich in weiten Kreisen bekannt-
gemächt worden, nachdem es die älteren Kunstfreunde schon 1892 in der
„Internationalen Ausstellung für Musik und Theaterwesen" studiert hatten.
Über die Geschichte und die ältere Beurteilung des Bildes teile ich,
knapp zusammenfassend, folgendes mit:
Waldmüllers Beethoven ist 1823 durch die Firma Breitkopf & Härtel,
die viele Werke Beethovens verlegt hat, bestellt worden. Von den ungün-
stigen Umständen der Entstehung des Gemäldes weiß der Beethoven-
biograph Schindler zu berichten. Die erste Besprechung des Porträts, die
ich bisher auffinden konnte, ist die von G. W. Fink in der Allgemeinen
musikalischen Zeitung von 1835 (Nr. 2). Fink hatte jedenfalls einige allge-
meine Kenntnis von der Tatsache, daß Waldmüller den großen Tonkünstler
gemalt hat, und zwar einmal nach der Natur, mehrmals aus dem Gedächtnis.
Auch konnte er Beethovens Antlitz aus der Zeit um 1823 noch einiger-
maßen im Gedächtnis haben, um eine Meinung über die Bildnisähnlichkeit
äußern zu dürfen. Es ist doch wahrscheinlich, daß G. W. Fink, obwohl er
in Leipzig lebte, mit Beethoven persönlich bekannt gewesen wäre. Wie dem
auch sei, Finks Mitteilungen sind so oberflächlich, daß sie auf keinen Fall als
wissenschaftliche Beurteilung des Waldmüllerschen Beethovenbildnisses gelten
können. Im ganzen urteilt Fink nicht ungünstig über das Bild, das ihm sicher bei
Breitkopf & Härtel in Leipzig, dort befindet sich die bestellte erste Ausführung,
oft zu Gesicht gekommen war. Er meint: Das erste Original sei „wirklich
der Beethoven", wozu er die Erläuterung gibt, die gewissermaßen das Un-
gewöhnliche im Bilde entschuldigen soll. Es war Beethoven, „aber wie er
aussah, wenn er unwirsch war, wenn er kiff und schalt und schmälte.
. . . Eben dieses Unwirsche, Keifende und Polternde war nun von Wald-
müller etwas stark aufgetragen. . . ." Anton Schindler, Beethovens Honorar-
sekretär ohne Honorar, der schon damals an einer Lebensgeschichte des
Meisters arbeitete und gewiß über vieles Bescheid wußte, aber sicher kein
Kenner von Werken der bildenden Kunst war, antwortete auf Finks Artikel und
bezeichnet dabeiWaldmüllersGemälde als das„mißlungenstePorträtßeethovens".
Diese Aburteilung ohne jede Einschränkung ist mit großer Vorsicht aufzu-
nehmen. Doch weiß der Mann die Umstände zu erzählen, unter denen das
Bildnis zustande gekommen ist,* wobei er weit mehr Glauben verdient als
bei seiner kritiklosen Aburteilung. Nach Schindlers Mitteilung war Beethoven

*) Andere Abbildungen finden sich im Porträtwerk der Berliner Photographischen
Gesellschaft (im Beethovenheft), in meiner Beethovenbiographie (Verlag der „Harmonie",
4. Auflage, bei der Schlesischen Verlagshandlung in Berlin erschienen), in noch anderen
illustrierten Beethovenbüchern und in Artikeln über Beethoven, z. B. in der „Rivista
musicale italiana" (Turin, 1897, Heft 1).
 
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