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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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IX. und X. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Hermannstadt und die Brukenthalsche Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0155

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145

Das Bild ist schon vor Zeiten furchtbar verputzt und verschmiert worden.
Die Materialien zur Vergleichung sind in vielen Galerien verstreut und
namentlich in vielen Kirchen Venedigs aufzusuchen. Man muß also heute
noch zu Geduld mahnen.
Ein weiterer nicht sicher benannter Italiener der Hermannstädter Galerie
ist eine Geburt der Maria (neue Nr. 369). Ich dachte beim ersten Besuch
der Galerie vor diesem Bild an einen Ferraresen aus der Zeit des Mazzolino
und Garofalo. Gewisse Ähnlichkeiten sind ja z. B. mit dem Ferraresen
Michele Cortellini (auch Coltellini geschrieben) vorhanden, der mannig-
fachen Einflüssen fremder Schulen zugänglich war. (Siehe den Abschnitt:
Coltellini in Thieme-Beckers Künstlerlexikon.) Die Reste der Signatur geben
wenigstens einige Buchstaben des Namens Cortellini. Doch sei alsbald an-
gemerkt, daß über dem eigentlichen Namen ein F R zu sehen war. Ich las
als Reste einer Schrift: „FR .KROTO." mitten unten auf dem Stein. Dazu
notierte ich aber: „ob echt? sehr undeutlich." Das Faksimile in der neuen
Auflage des Kataloges bringt kein F R mehr und kein zweites O. Die Be-
nennung Cortellini läßt sich ja verteidigen, aber es ist auch eine neuere
Taufe auf Francesco Caroto zu beachten, die ebenfalls gewisse Stützen
hat. Dankenswerterweise liegt eine gute Abbildung vor (in Csakis „Auslese"),
die neuerliche Benennungsversuche gestattet und vielleicht die Frage des
Benennens zur Entscheidung bringt. Wer die Schwierigkeiten kennt, die vom
Studium der beiden Caroto und des M. Cortellini unzertrennlich sind, wird
sich der Angelegenheit mit einiger Vorsicht nähern. Das Bild selbst aber,
wenn auch nicht ersten Ranges, ist durch den Erfindungsreichtum seiner
Figuren und durch die Frische der Färbung überaus beachtenswert, ln den
Gewändern kommen nebeneinander Farben vor, wie sie besonders häufig
von den angedeuteten Ferraresen gebraucht wurden: orangegelb neben
mehreren grünen Tönen. Orangegelb und blau; hellgrün und hellrot.
Viele zum Teil gute alte Kopien nach weitberühmten Italienern, wie
A. Mantegna, Raffael, Correggio, Parmegianin, Andrea del Sarto, Veronese,
Merisi da Caravaggio und anderen haben ihren Wert als Unterrichtsmaterial
neben den farblosen Photographien und im Gegensatz zu ihnen.
Die späteren Italiener aus der Gruppe der bolognesischen Eklektiker
sind in Hermannstadt noch niemals gründlich studiert worden. Ich fürchte,
daß noch manche Umtaufe nötig sein wird bei guten und mittelmäßigen
Bildern dieser Gruppe. Als nachträgliche Bemerkung zu früheren Beobachtungen
will ich nicht verschweigen, daß die angebliche spanische Madonna, die
Csaki in der „Auslese" abbildete, augenscheinlich ein Werk des Giovanni
Biliverti ist. Die Benennung des vorzüglichen Bildes war überaus schwierig,
und ich konnte mich in Hermannstadt des Malernamens nicht entsinnen.
Durch die Veröffentlichung des beglaubigten G. Biliverti, einer Darstellung
von Venus und Amor, beim Geheimrat Jos. Cremer in Dortmund durch
H. Voß im „Archiv für Kunstgeschichte", Bd. 11, Taf. 100, wird aber die Sache
klar. Die Madonna im Bild der Hermannstädter Galerie ist dasselbe Modell
wie die Venus bei Cremer, und das Christkind muß als Zwillingsbruder des
Amor im Dortmunder Bild gelten. Die weiche Modellierung des beglaubigten
Gemäldes kehrt auch auf dem neugetauften wieder.
Die Benennung der Lissandrinos, deren sechs vorzügliche sich in
Hermannstadt befinden, hat sich bis heute gehalten. Als ich 1895 diese
 
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