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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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IX. und X. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Hermannstadt und die Brukenthalsche Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0156

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Arbeiten besonders hervorhob, mußte ich es im Bewußtsein tun, daß die
Majorität mir widersprechen werde, in der Zwischenzeit bis heute hat sich
die Lage sehr geändert zugunsten des temperamentvollen Künstlers, und
man muß sich heute eher vor einem Zuviel als einem Zuwenig hüten, wenn
Lissandrino gewertet wird.
Die französischen Bilder in der Galerie sind zwar nicht zahlreich,
aber gewiß nicht zu verachten. Sogleich das kleine münnliche Bildnis
französischen Ursprungs, um 1530 etwa gemalt (Nr. 404), ist wertvoll. Bis
zu meinem Galeriebesuch wurde es in die Nähe des Holbein geschoben,
wie man es überhaupt mit den französischen Bildchen derselben Gruppe
zu machen pflegte. Bei Gelegenheit hoffe ich, eine Abbildung bieten zu
können, die heute noch fehlt.
Dann aus späteren Zeiten: zwei prächtige Jean Baptist Marie
Pierre, Gegenstücke: „Venus und Vulkan" und „Jupiter entführt Europa".
Als die Bilder zur Wiederherstellung bei Gerisch in Wien waren, fand dieser
den Stich von Lempereur zu einem derselben. Auf dem Stich ist J. B. M. Pierre
als Maler genannt. Ich erhielt dann die freundlichst für mich hergestellten
Photographien, die in den Blättern für Gemäldekunde nachgebildet sind.
Dort ist auch der alte Stich nach dem zweiten Bilde nachgewiesen, das
durch die Inschrift auf dem Stich ebenfalls als Arbeit Pierres beglaubigt
wird oder wenigstens beglaubigt scheint. Beide Gemälde von Pierre stammen
nicht aus der ersten Sammlung Brukcnthal, sondern sind erst 1835 als
Geschenk der Frau Justina von Hannenheim an die Galerie gelangt. Man
hielt sie früher für Werke von Boucher. Nach der Beglaubigung durch alte
Stiche meint man bei diesen Gegenstücken nur Pierre und nicht auch
Boucher nennen zu dürfen. Ich möchte die Bilder selbst gern wieder sehen
und auf ihre Färbung und die Pinselführung hin untersuchen. Denn nach
einer alten Katalogangabe scheint es doch möglich, daß das Bild Vulkan
und Venus von Boucher sei. ln Mireurs „Dictionnaire des ventes", Ab-
schnitt über Pierre, kommt ein Hinweis vor auf dieVenteMenarsvon 1782,
in der eine Darstellung des Raubes der Europa mit zehn Figuren von Pierre
vorkam zugleich mit einem Gegenstück von Boucher, das Venus und Vulkan
darstellte. Der Hinweis bei Mireur lautet wörtlich: „L'enlevement de l'Europe,
composition de dix figures. L'Aigle de Jupiter s'y voit sur un nuage."
[Das paßt zum Pierre in Hermannstadt.J „Vendu avec un sujet de Boucher:
Venus commandant ä Vulcain des armes pour Enee: 120 fr." Das paßt
wieder zum Gegenstück in Hermannstadt. Und hier beginnen nun die nach-
träglichen Zweifel, die ich nicht verheimlichen will. So ganz sicher von
derselben Hand sind ja die Gegenstücke wirklich nicht. Vielleicht hat der
alte Stecher Lempereur geirrt, als er auch das Bild mit Venus und Vulkan
dem J. B. M. Pierre zuschrieb.
Bieten diese zwei Werke, eines sicher von Pierre, das zweite vielleicht
von Boucher, besonderes kunstgeschichtliches Interesse, so ist ein J. B. Oudry
(ein signiertes Bild aus dem Jahr 1722: Vorstehhund mit Fasan) sicher auch
nicht zu unterschätzen.
Werke von Perelle, Parrocel und ein Raoux-artiges Bild, das als
Italiener katalogisiert und bei Csaki abgebildet ist (Bacchantin am Waldesrand,
endlich einige Bildnisse aus der Zeit der AHongeperücken mögen andeuten,
daß auch die Kunst Frankreichs in der Galerie ihre Vertreter hat.
 
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