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I. DIE STADT MIAM-ANIBA

A. DIE BAUTEN
Von Hans Schleif
Der Platz in der Ebene von Aniba, an der die Ägypter eine Festung anlegten, bot keiner-
lei strategische Vorteile. Möglicherweise stand zwar der hohe Felsen von Qasr Ibrim am
gegenüberliegenden Ostufer des Nils als Beobachtungs- und Signalposten mit der Festung
in Verbindung, der Anlaß zum Bau einer Festung muß jedoch der Wunsch gewesen sein,
die eingesessene Bevölkerung direkt unter den Einfluß — sei es nun Schutz oder Gewalt —
einer ägyptischen Garnison zu bringen (Blatt i, Abb. i).
Der Nil fließt hier fast genau von Südwesten nach Nordosten. Es ist jedoch üblich, ent-
sprechend der Gesamtrichtung des Flusses, seinen Lauf grundsätzlich südnördlich zu
nennen, wie sich auch die Ägypter selbst bei der Orientierung ihrer Tempel und Gräber
meist nach dem Flußlauf richteten und nicht nach den astronomischen Himmelsrichtungen.
Deshalb ist in allen Grundrissen zu dem magnetischen Nordpfeil eine lokale Nordrichtung
(L. N.) gezeichnet und sind nach dieser letzteren die Himmelsrichtungen im Text benannt.
Vor Beginn der Ausgrabung ragte außer einigen vom Sand verwehten Schutthügeln
nichts mehr über den Wüstenboden. Schon vom Altertum an, als die starken Festungs-
mauern in dem befriedeten Land überflüssig geworden waren, und mehr noch nach dem
Abzug der Ägypter wurden die luftgetrockneten Nilschlammziegel ihrer Häuser und Tempel
von den Einheimischen planmäßig bis tief in die Fundamente, also bis unter die antike
Bodenhöhe abgetragen und als Dünger (Sabach) auf ihre Felder gebracht. Außer den tief-
gehenden Fundamenten der breiten Festungsmauern blieben nur an ganz wenigen Stellen
unter besonders hohen Schuttmassen oder Sandverwehungen auch einige Stücke auf-
gehendes, also ehemals sichtbares Mauerwerk erhalten. Wenn es trotzdem noch gelingen
konnte, von der Entwicklung der Stadt Miam ein klares Bild zu gewinnen, das manche
neuen Aufschlüsse über die Anlage und besonders über die Befestigung ägyptischer Städte
liefert, so muß dies Ergebnis als sehr befriedigender Glücksfall bezeichnet werden.
Im Zusammenhang mit der Durchsuchung der Schutthalde, die bereits früher durch
Inschriftfunde als Standplatz eines Tempels bekannt war, wurde im Frühjahr 1914 unter
der Leitung von W. Th. Hinrichs und H. Plaumann in fünfwöchiger Arbeit mit durch-
schnittlich hundert ägyptischen und nubischen Arbeitern der Umfang der Stadt festgestellt
und vermessen. Nirgends wurde tiefer gegraben, als bis 3—4 Ziegelschichten festgestellt
waren, ebenso wurde auf eine Klärung der Bau- und Entwicklungsperioden der Stadtmauer
vorläufig verzichtet. Nach Erfüllung dieser Aufgabe wurde 1930/31 die Grabung unter
meiner Leitung in 7 Wochen mit durchschnittlich 37 Arbeitern zum Abschluß gebracht.
Das Gesamtgebiet der Stadt zur Zeit ihrer größten Ausdehnung bedeckte eine Fläche
von 80000 qm. Nur infolge der restlosen Zerstörung aller Bauten innerhalb der Stadt war

I Steindorff.
 
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