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Tomas Maldonado

Vorbemerkung
Die Notwendigkeit und Möglichkeit einer
speziellen Methodologie für das Industrial
Design ist in jüngster Zeit — vor allem in
Europa — zu einem polemischen Thema ge-
worden, das recht oft unter Industrial
Designern und unter Erziehern, die sich der
Ausbildung der Industrial Designer widmen,
diskutiert wird. Auf der einen Seite stehen
jene, die glauben, daß alle Designprobleme
nur mittels mathematischer Formalisierung
gelöst werden können, auf der anderen Seite
jene, die meinen, daß alle Probleme auf
diesem Gebiet allein mit Hilfe des gesunden
Menschenverstandes sich bearbeiten lassen.
Diese Polemik kann, wenigstens in ihrem
gegenwärtigen Zustand, nicht fruchtbar sein.
Die Designer der ersten Kategorie scheinen
eine viel strengere Auffassung von Methodik
zu haben als die Wissenschaftler selbst; denn
die Wissenschaftler stellen bisweilen wissen-
schaftliche Methoden in Frage; die Designer
der erwähnten Art jedoch nie. Die Verfechter
des gesunden Menschenverstandes ihrerseits
finden sich nicht bereit anzuerkennen, daß das
Industrial Design bestimmte Arten von Auf-
gaben mit sich bringt, die mit dem gesunden
Menschenverstand allein nicht mehr gelöst
werden können.
Beide Auffassungen zeichnen sich durch einen
beunruhigenden Mangel an Realismus aus,
was — wie ich glaube — daher rührt, daß
beide Gruppen etwas grundsätzlich Verschie-
denes unter 'Industrial Design’ verstehen.
Das Hauptproblem besteht heute darin, daß
wir fortwährend mit dem Begriff 'Industrial
Design' umgehen als meine er eine und nur
eine Wirklichkeit. Hier liegen die Ursachen für
die Mißverständnisse. Es gibt nicht nur eine
einzige Wirklichkeit des Industrial Design,
sondern deren viele. Daß es schließlich so
viele Wirklichkeiten wie Grade von struktu-
reller und funktioneller Komplexität gibt,
kann anhand industriell gefertigter Produkte
nachgewiesen werden. Eine Kaffeetasse, ein
Infrarotgrill, ein Grasmäher, ein Traktor, ein
Hubschrauber und eine elektronische daten-
verarbeitende Maschine bilden nicht Design-
probleme derselben Art, die auf dieselbe
Weise formuliert und gelöst werden könnten.
Der Streit zwischen Rationalismus und

Preliminary Note
The necessity and possibility of a particular
methodology for industrial design has recently
become — above all in Europe — a polemical
object found quite offen among industrial
designers and educators dedicated to the
training of industrial designers. On the one
hand, there are those who believe that all
design Problems can only be solved by
mathematical formalization. On the other
hand, there are those who assume that all
Problems in this Held can only be solved with
common sense.

Evidently this polemic, at least in its present
state, cannot be fruitful. The designers of
the first category seem to have a much more
intransigent opinion on methods than the
scientists themselves. The scientists some-
times have doubts about scientific methods,
but the designer of the kind referred to —
never. The partisans of common sense, for
their part, do not resign themselves to accept
that industrial design involves certain types
of tasks which no longer may be solved only
with common sense.

Both positions suffer from a very alarming
lack of realism, and I believe that this results
from the fact that both groups understand
radically different things a industrial design.
The main prob lern today is that we con-
stantly operate with the notion 'industrial
design', as if it meant one and only one reality.
And this is the reason for all the misunder-
standings. There exist not only a single but
many realities of industrial design. Finally,
that there are as many realities as degrees
of structural and functional complexity may
be verified in industrially produced objects.
A coffee cup, an infra-red grill, a lawn mower,
a tractor, a helicopter and an electronic
data Processing machine do not constitute
design Problems of the same nature which
can be set and solved in the same way.

The debate between rationalism and intuitio-

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