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Besuch des Reichspräsidenten von Hindenburg
auf dem Ehrenbreitstein zur Feier der
Rheinland-Befreiung.
President of the Reich von Hindenburg on the
Ehrenbreitstein, on the occasion of comme-
moration of the Rheinland liberation 1930.

Technische Fertigkeit und politisches
Bewußtsein

Teilnehmende Beobachtung und Analyse der
gegenwärtigen Gesellschaft haben in Deutsch-
land nie recht akademische Würde genossen.
Historische Gelehrsamkeit fühlte sich im all-
gemeinen mehr davon angezogen, in ent-
legenen Parks zu flanieren, als Wege durch
das Gestrüpp der so nahen Gegenwart frei-
zulegen. Aber es gibt Ausnahmen. Zu ihnen
zählt das Buch von Harry Pross 'Vor und
nach Hitler. Zur deutschen Sozialpathologie’
(Olten/Freiburg 1962). Eine Reihe von Ver-
suchen “... krankhafte Erscheinungen der
deutschen Zeitgeschichte aufzuspüren“ (S. 11).
Die zehn Essays sind weniger darauf aus-
gerichtet darzustellen, wie es im Hitlerstaat
beschaffen war, als die Frage zu klären, wie
es zum Hitlerreich kommen konnte (S. 145).
“Die Dämonisierung Hitlers und die ... deut-
sche Vorliebe für ’Schicksäler’ haben gemein-
same Wurzeln und bedingen einander. Beide
gehen darauf zurück, daß wir die Aufklärung
nicht praktiziert haben, ehe im letzten Drittel
des vorigen Jahrhunderts die modernen Groß-
organisationen entstanden, die das Gesell-
schaftsbild so schwer verständlich machen.“
(S. 144). Das dritte Reich: nicht ein verhängtes
Gebrechen, sondern ein historisch bedingtes
Knäuel von Fakten, dessen Fäden bis auf
die fehlgeschlagene bürgerliche Revolution
1848 zurücklaufen.
Das deutsche Bürgertum hat eine 160 Jahre
alte politische Geschichte. Diese Geschichte
ist die Geschichte einer verpaßten Aufklärung
gewesen. Emporgeklettert auf den Leitern
des technischen Fortschritts, hatte es ver-
gessen, das politische Gepäck mitzunehmen.
“Der Zivilisationsprozeß, der seit der Renais-
sance die Erde mit den Erfindungen und
Werkzeugen Europas überschwemmte, hat sein
politisches Programm der Befreiung Deutsch-
lands nicht erfüllt. Höchste Geistigkeit,
bewundernswerte Technik in zurückgeblie-
benen Gesellschaftsformen war das deutsche
Los.“ (S. 177). Wirtschaftlich-technisch wohl
mächtig blieb das deutsche Bürgertum auch
nach 1871 ein Zuschauer des Geschehens
in der politischen Arena. Von Beginn an
wurde es um seine politische Zeche geprellt.
Das darob entstandene, selbst nicht ver-
standene Ressentiment drehte sich ab in einen
überhöhten Nationalismus, der später zum

Technical Skill and Political Consciousness

Engaged Observation and analysis of Con-
temporary society have never enjoyed real
academic elevation in Germany. Historical
erudition generally has feit more attracted by
indulging in flänerie in remote parks than by
paving the way through scrub of the near
presence. But there are exceptions. One of
them is the book of Harry Pross 'Vor und
nach Hitler. Zur deutschen Sozialpathologie’
(Olten/Freiburg 1962) (’Germany before and
after Hitler. Contributions to German Social
Pathology’). A series of attempts “... to trace
the pathological Symptoms of German Con-
temporary history“. (p. 11).
The ten essays are not so much orientated
towards a presentation of the events taking
place in Hitler's state than towards the
solution of the causes of 'Hitlerreich' (p. 145).
“The demonisation of Hitler and the ...
German preference for ’fates’ have common
roots and influence each other. Both are
conditioned by the fact that we did not
practise enlightenment before the large
organisations of modern times — which make
the social scene so difficult to understand —
came into being during the last third of the
past Century“, (p. 144). The Third Reich: not
an imposed fatality but a skein of facts,
the threads of which can be traced back to
the unsuccessful civil revolution of 1848.
The German bourgoisie has a political
history of 160 years. It has been a history of
a missed enlightenment. On climbing up the
ladder of technical progress it failed to carry
with it the political luggage. “The process
of civilisation, which since the Renaissance
has inundated the earth with Europe's
inventions and tools has not carried out the
political Programme of the liberation of
Germany. High spirituality and admirable
technical achievements in obsolete forms
of society were the German fate“. (p. 177).
Although powerful in the economic-technical
field the German bourgoisie even after 1871
remained a spectator of the political scene.
From the very beginning it was tricked out of
its political Claims. The subsequent resent-
ment, not understood by the people them-
selves, was shifted into an excessive
nationalism, which later was degraded into a
tool of national socialism. “Subsequently

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