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Apollo
13
Apollo-Beschreibung
im Brief an Wille, Rom Mitte August 1757
Idee von einer Beschreibung des Apollo im Belvedere aus dem 2ten Theil der Schrift.
NB. die ausführlichere Beschreibung der Statuen an diesem Ort wird zu seiner Zeit auch erscheinen.
Die Statue des Apollo ist das höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Alterthums, welche der 295
Zerstörung derselben entgangen sind: er übertrifft alle anderen Bilder deßelben so weit als des Homers
Apollo den welchen die folgenden Dichter mahlen. Ueber die Menschheit erhaben ist sein Gewächs und
sein Stand zeuget von der ihn erfüllenden Größe. Ein ewiger Frühlung wie in dem glücklichen Elysien
bekleidet die reizende Männlichkeit vollkommener Jahre <und spielet> mit gefälliger Jugend und spie-
let mit sanften Zärtlichkeiten auf dem stolzen Gebäude seiner Glieder. Gehe mit Deinem Geist in das
Reich unkörperlicher Schönheiten und suche ein Schöpfer einer Himmlischen Natur zu werden, um
den Geist mit Schönheiten die sich über die Materie erheben, zu erfüllen: denn hier ist nichts sterbliches
noch was die Menschliche <Noth> Dürftigkeit erfordert. Keine Adern noch Sehnen erhitzen und regen
diesen Körper, sondern ein Himmlischer Geist der sich wie ein sanfter Strohm ergoßen, hat gleichsam
die gantze Umschreibung dieser Figur erfüllet. Er hat den Python <erleget> wider welchen er zuerst
seinen Bogen gebraucht verfolget und sein mächtiger Schritt hat ihn erreicht und erleget.
Von der Höhe seiner Genügsamkeit gehet sein erhabener Blick wie ins unendliche weit über seinen
Sieg hinaus: Verachtung sitzt auf seinen Lippen und der Unmuth den er in sich ziehet, blähet sich in
den Nüssen seiner Nase und tritt bis in die stolze Stirn hinauf. Aber der Friede welcher in einer seeligen
Stille auf derselben schwebet, bleibt ungestöret und sein Auge ist voll Süßigkeit wie unter den Musen,
die ihn zu umarmen wünschen. In allen uns übrig gebliebenen Bildern des Vaters der Götter, welche die
Kunst verehret, <zeiget> nähert er sich nicht der Größe in welcher er sich dem Verstände des Göttlichen
Dichters offenbarte, wie hier in dem Gesicht des Sohnes und die einzelnen Schönheiten der übrigen
Götter treten hier wie bey der Pandora in Gemeinschaft zusammen. Eine Stirn des Jupiters[, die] mit
der Göttin der Weißheit schwanger [ist,] und Augenbrauen [,] die durch ihr Winken seinen Willen
erklären: Augen der Königin der Göttinnen mit Großheit gewölbet und ein Mund welcher denjenigen
bildet, welcher dem geliebten Branchus die Wollüste eingeflößet. Sein weiches Haar spielet wie die
zarten und flüßigen Schlingen edler Weinreben, gleichsam von einer sanften Luft bewegt, um dieses
Göttliche Haupt: es scheinet gesalbet mit dem Oel der Götter und von den Gratien mit holder Pracht
auf seinem Scheitel gebunden.
Ich vergeße alles andere über den Anblick dieses Wunderwercks der Kunst und ich nehme selbst einen
erhabenem Stand an, um mit Würdigkeit anzuschauen. Mit Verehrung scheinet sich meine Brust zu
erweitern und zu erheben wie diejenige die ich wie vom Geist der Weißagung aufgeschwellet sehe und
ich fühle mich im Geist weggerückt nach Delos und in die Lycischen Hayne, Orte die Apollo mit seiner
Gegenwarth beehrte. Denn mein Bild scheinet Leben und Bewegung zu bekommen wie des Pygmalions
Schönheit; wie ist es möglich es zu mahlen und zu beschreiben? Die Kunst selbst müßte mir rathen und
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Apollo
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Apollo-Beschreibung
im Brief an Wille, Rom Mitte August 1757
Idee von einer Beschreibung des Apollo im Belvedere aus dem 2ten Theil der Schrift.
NB. die ausführlichere Beschreibung der Statuen an diesem Ort wird zu seiner Zeit auch erscheinen.
Die Statue des Apollo ist das höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Alterthums, welche der 295
Zerstörung derselben entgangen sind: er übertrifft alle anderen Bilder deßelben so weit als des Homers
Apollo den welchen die folgenden Dichter mahlen. Ueber die Menschheit erhaben ist sein Gewächs und
sein Stand zeuget von der ihn erfüllenden Größe. Ein ewiger Frühlung wie in dem glücklichen Elysien
bekleidet die reizende Männlichkeit vollkommener Jahre <und spielet> mit gefälliger Jugend und spie-
let mit sanften Zärtlichkeiten auf dem stolzen Gebäude seiner Glieder. Gehe mit Deinem Geist in das
Reich unkörperlicher Schönheiten und suche ein Schöpfer einer Himmlischen Natur zu werden, um
den Geist mit Schönheiten die sich über die Materie erheben, zu erfüllen: denn hier ist nichts sterbliches
noch was die Menschliche <Noth> Dürftigkeit erfordert. Keine Adern noch Sehnen erhitzen und regen
diesen Körper, sondern ein Himmlischer Geist der sich wie ein sanfter Strohm ergoßen, hat gleichsam
die gantze Umschreibung dieser Figur erfüllet. Er hat den Python <erleget> wider welchen er zuerst
seinen Bogen gebraucht verfolget und sein mächtiger Schritt hat ihn erreicht und erleget.
Von der Höhe seiner Genügsamkeit gehet sein erhabener Blick wie ins unendliche weit über seinen
Sieg hinaus: Verachtung sitzt auf seinen Lippen und der Unmuth den er in sich ziehet, blähet sich in
den Nüssen seiner Nase und tritt bis in die stolze Stirn hinauf. Aber der Friede welcher in einer seeligen
Stille auf derselben schwebet, bleibt ungestöret und sein Auge ist voll Süßigkeit wie unter den Musen,
die ihn zu umarmen wünschen. In allen uns übrig gebliebenen Bildern des Vaters der Götter, welche die
Kunst verehret, <zeiget> nähert er sich nicht der Größe in welcher er sich dem Verstände des Göttlichen
Dichters offenbarte, wie hier in dem Gesicht des Sohnes und die einzelnen Schönheiten der übrigen
Götter treten hier wie bey der Pandora in Gemeinschaft zusammen. Eine Stirn des Jupiters[, die] mit
der Göttin der Weißheit schwanger [ist,] und Augenbrauen [,] die durch ihr Winken seinen Willen
erklären: Augen der Königin der Göttinnen mit Großheit gewölbet und ein Mund welcher denjenigen
bildet, welcher dem geliebten Branchus die Wollüste eingeflößet. Sein weiches Haar spielet wie die
zarten und flüßigen Schlingen edler Weinreben, gleichsam von einer sanften Luft bewegt, um dieses
Göttliche Haupt: es scheinet gesalbet mit dem Oel der Götter und von den Gratien mit holder Pracht
auf seinem Scheitel gebunden.
Ich vergeße alles andere über den Anblick dieses Wunderwercks der Kunst und ich nehme selbst einen
erhabenem Stand an, um mit Würdigkeit anzuschauen. Mit Verehrung scheinet sich meine Brust zu
erweitern und zu erheben wie diejenige die ich wie vom Geist der Weißagung aufgeschwellet sehe und
ich fühle mich im Geist weggerückt nach Delos und in die Lycischen Hayne, Orte die Apollo mit seiner
Gegenwarth beehrte. Denn mein Bild scheinet Leben und Bewegung zu bekommen wie des Pygmalions
Schönheit; wie ist es möglich es zu mahlen und zu beschreiben? Die Kunst selbst müßte mir rathen und