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77©

Z u spät! -^£=-3°°

A^err Windthorst eilte ins Ranzlerpalais,
Den Fürsten Bismarck zu retten.

Lr wollte ihn retten vom Untergang
Und aus der Verzweiflung Retten.

Und hat Dir versagt auch das rothe Kespenst,
Und bracht' es nicht Lieg dem Rartelle —
Ich schaffe Dir konservativ-klerikal
Lin schwarzes Kespenst zur Stelle.

Und schenkst Du mir nur die Kesetze vom Nah
Dann sollst Leptennate Du haben,

Lin ewiges Sozialistengesetz
Und sonstige liebliche Kaben.

„Blick' auf, mein ßürst, und reich' mir die Hand!

Du hast mich geliebt nur wenig!

Doch will ich Dir helfen und biete Dir Schutz,
Bin jetzt ja der Reichstagskönig!

verschreibest dem schwarzen Kespenste Du
Deine mächtige Ranzlerseele,

So sorg' ich, daß all' Deinen Wünschen nie
Die volle Befriedigung fehle.

viel Panzerfregatten und Batterien!

Lin Bataillon will ich bieten
ßür jeden aus der Verbannung dann
Heimkehrenden Jesuiten!"

Kar lieblich klang es dem Ranzler ins Khr;

Kern war' er der Nächt'ge geblieben.

Kern hält' er dem schwarzen Kespenste vielleicht
Dafür seine Seele verschrieben.

Doch schon war die Mitternachtsstunde vorbei,
Die letzten Hoffnungen schwanden.

Lr seufzet: „Nein Rleiner, auch heute bist Du
Nicht früh genug aufgestanden!"

Berlin, Ansang April.

Lieber Jacob!

Wenn der Termin noch nich vorbei wäre, denn wirde ick mir een
riesijet Bcrjniegen draus machen, Dir mal in'n April zu schicken. Weeßt
Du, wat Mickenfett is? Nich, na bet is, wenn hier de JungenS so'n
richtigen Dämelsack haben, un den schicken se an'n ersten April bei'n Apthcker
rin nn lassen den denn vor'n Sechser Mickenfett fordern. Wenn denn der
Provisor süchtig wird un den Dämelsack vor seine Dämlichkeit nauswirft,
denn stehen die Anderen vor de Ladendhiere un jecken sich Eens: det is
Mickenfett.

Ick hoffe, Du wirst mir vor die Erklärung, uff die ick wirklich stolz
bin, ewig dankbar sein, wie et sich vor eenen anständijen Menschen paßt,
der sich immer sreien muß, wenn er seine Kenntnisse erweitern kann.

Doch wat ick sagen wollte, vor vierzehn Dage, da war hier wat los,
da suchten se 'n neien Reichskanzler un konnten keenen finden. Weeßte,
,nerst war ick jarnich abjeneigt, mir selbst zu den Posten zu melden, aber
mir hat blos der Jedanke davon abjehalten, det ick doch denn janz bestimmt
in det diplomatische Viertel nach de Willemsstraße hätte ziehen missen, un,
weeßte Jacob, janz offen jcstanden, det paßte mir nich. Ick habe mir hier
an'n Jörlitzer Bahnhof einmal so injelebt, det ick mir blos mit schweren
Herzen von meine ollen Freinde hätte losreißen kennen, un ick hätte denn

ooch nich ohne Jrund befirchten müssen, det mir von die olle Nußknackers
keen Eenziger in de Willemsstraße besucht hätte. Un denn, sechste, wat
hätte ick woll in det jroße, jraue Reichskanzlerpaläh anjefangen! Ick bin
sonst woll 'n ziemlich forscher Kerl, aber dadrin hätte ick mir bestimmt
jejrault. Ick habe zwar hier an'n Jörlitzer Bahnhof ooch Fiehlung mit
Beamtenkreise: eenmal war ick sojar schon uff de Polizeiwache, weil se
dachten, ick wollte Flugblätter verbreiten; un denn zweetens kenne ick den
Nachtwächter, der schließt mir immer Abends, wenn et schon beinah Morjens
is, det Haus uff, weil ick keenen Hausschliffel mitkriege, — aber ick war
bescheiden jcnug, um diese feinen Bekanntschaften nich auszunutzen. Un
denn janz offen jestanden, lieber Jacob, et war mir zu ville Jeld, wat sc
vor den Reichskanzlerposten auSjeben duhn. Bierunfuffzigdausend Märker
jedet Jahr — da hätte ick ja jeden Dag zweemal Biffstick mit Bratkartoffeln
essen kennen un die Vierunfuffzig Dausend wären denn noch nich mal alle
jewesen. Nee, ick mußte wirklich danken. Denn billijer wie mein Vorjänger
hätte ick et doch ooch nich machen kennen, denn sonst hätten doch jleich alle
meine Freinde un Bekannten jesagt: „Nu seht mal blos Jotthilf Naucken
an, erst hat er 'n Rand, wer weeß wie jroß, un nu, wo er 'ne feste An-
stellung kriegt, da wird er mit eenmal 'n janz jewehnlicher Lohndricker".

So wat laß ick mir natierlich nich nachsagen, ick bin Eener von die
olle Sorte, die noch uff Ehre un Reputation halten.

Drr freiwillig erniedrigte Mietlgins.

Von W. Hügel.

m vergangene' Sunndag
haw ich nach langer Zeit
Widder mol mein' alten
Onkel Huber b'sucht, un'
war nit wenig erstaunt,
als ich beim Eintritt in
sei' großes Miethhaus
dasselbe ganz leer stehen
sah. Mei' Onkel hat mer
mei' Erstaune vumG'sicht
abgelese' un' eh' ich noch
e' Wort haw zu'm sage
könne', Hot er uff'n Stuhl
in der Stub' gezeigt' un'
ausgeruse: „Setz' Dich,
Jakobele, ich seh' D'rs an,
Du möchtest gar zu gern
wisse', warum mei’ gan-
zes Haus leersteht un'
all' mei' Miethsleit vun
mir ausgezoge' sin' I"
„Ja, Onkel", haw ich
do d'ruff erwidert, „des
däht mich ungeheier in-
dresstrel" „Gut", seggt
mei' Onkel, „do hör' mich
an un' nemm' D'r e'
Beispiel d'ran, wie's eem
gehe' kann, wenn mer
heit' zu Tag zu gut is.
„Jakobele", fahrt er in
schmerzlichem Ton fort,
„vor ung'fähr vier Woche
haw ich mit eine Mailänder finfeverzig Franke'-Loo» en Treffer vun hundert-
tausend Franks gemacht . . ."

„Onkel, is wahr?" haw ich freidig ausgeruse' un' bin vum mei'm
Stuhl uffg'floge'. „Ja, Jakobele, 'S iS wahr", seggt mei' Onkel. „Na,
dann gradlier' ich D'r vun Herze' zu Dei'm Glick, lieber Onkel I"

„Merci, Jakobele", erwiderte cher Alte gerührt un' hot mer die Hand

gedrückt, daß ich's drei Dag später noch g'spürt Hab'. Dann Hot er in
seiner Erzählung fortg'fahre: „Jakobele, Du wecscht, ich Hab' gute Nerve'
un' kann schunn 'n Buff aushalte, awer wie ich im „Dagblatt" gelesc' Hab',
daß die Nummer 42,984 der Mailänder finfeverzig Frank'-Loose Frs. 100,000
gewunne' Hot, is mer's doch grin un' gelb vor de Aage worre un' ich Hab'
mich an der Stuhllehn' festhalte' misse', daß ich nit umg'falle bin. Nach un'
nach haw ich mich vun mei'm freidige Schreck wieder so langsam erholt
un' dann anfange zu simlire', wie ich's wohl am Beste mach', daß an
meinem Glück aach noch annere Leit Plaisir hawe könne'. Do dabei is mer
dann uff eemol der Gedanke kumme, daß sich das am beste' dadurch bemerk-
 
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