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et wird woll Jacke wie Hose sind. Ja, Familienkafseekochen, bet iS so'n
Zauber, von den der Berliner nich jerne laßt. Na, un denn de Landparthien,
natierlich in'n Kremser. Ick kann Dir sagen, da is manchmal Wat mang.
Ratierlich jeheeren 'n Paar Achtel Bier dazu, die missen unter'n Wagen
hängen, damit se nich so von de Sonne dnrchjebraten werden, bet derf bloS
mit de Stullen passiren, da loost de Butter run un Dir immer in de Rock-
tasche rin, aber bet schad't nischt, deSwejen jeht et weiter. Na, un denn
bet Fänderspielen draußen, un nachher, wenn de Fänder auSjelöst werden,
wenn et denn an't Küssen jeht — na, Du brauchst nich jleich roth zu
werden, lieber Jacob, weiter jetzt et ja denn nich mehr.

Doch der neie Reichskanzler hat sich nu so nach un nach in sein iteiet
Amt injelebt. Et is doch merkwirdig, bet sonne Leite feenett Befähigungs-
nachweis brauchen, wo se doch sonst so sehre vor Innungen schwärmen.
Sechste, Herbert Bismarck hat rejulär die janzen Jahre durch bei seinen
Ollen in't Jeschäft Reichskanzler studirt, un wo et nu endlich so weit war,
bet mal ’n Reichskanzlerposten frei war, da haben se ihn janz einfach bet
Loch, wat der Zimmermann an't Reichskanzlerpaläh jelassen hatte, vor de
Nase zujeschlagen. Ick jloobe bet sowat bitter is, lieber Jacob, aber wenn
Alles sieß wäre, wer wollte denn woll bet Saure essen? Seen Mensch.
Aber Deitschland liegt immer noch da, wo et bis jetzt jelegen hat, obschon
wir zwee Märker un zwar Bismärcker weniger in unfern Staatsbetrieb
haben. Ick muß ja offen jestehen, bet ick jloobe, bet der Jnfluß von den
Reichskanzler überhaupt nich bis an'n Jörlitzer Bahnhof un bis zu mir
reicht, denn ick habe mir unter Bismarck jenau so befunden wie unter
Caprivi'n. War bet nich een russischer Kaiser, der jesagt hat, er will dafor
sorgen, bet jeder Bauer Sonntags sein Talglicht in'n Topp haben soll?
Magst Du Talglicht, Jacob? Ick nich! — Womit ick verbleibe erjebenst un
mit ville Jrieße Dein treier Jotthils Naucke

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Hobelspähne.

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,
Da macht der Philister sich wenig daraus.

Doch wenn das Volk recht verständig spricht —
Die Blüthen des Geistes gefallen ihm nicht.

Es giebt keinen absoluten Stillstand in der
Welt. Wie selbst im schweigenden Urwalde die
Baumriesen Jahr um Jahr zu größerer Kraft tmd
Stärke heranwachsen, um Stürmen und Wettern
als unzerstörbarer Wall Trotz bieten zu können, so
arbeiten auch unablässig die Urkräfte der Mensch-
heit und streben dem Lichte und neuem Leben ent-
gegen. Wenn über die Völker eine jahrzehntelange
Reaktion dahingebraust ist, welche alles Leben zu
ersticken schien, daun gehen sie stärker als je aus allen Stürmen hervor und
grüßen neu verjüngt den Maienmorgen der neuen Zeit. Auch heute schmücken
sich die Völker mit frischen Maienblüthen und reichen sich in fester Ver-
brüderung die Hände zum Kampfe für das große Kulkurwerk der Neuzeit,
den Achtstundentag.

Und wenn ich noch so fleißig bin —

Heut' ist der erste Mai!

Da leg' ich meinen Hobel hin,

Und komm' zum Fest herbei!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Dem Arbeitsvolk in Sorgen, Mangel, Leiden.

Und o, wie sehr wird jetzt die edle Kunst
Im Dienst vornehmen Ungeschmacks entweiht!

Die Freiheit ist der Künste Lebenslust;

Jedoch es lähmt des Goldes Sklaverei
Den hohen Flug der Künstlerseele, lenket
Vom rechten Pfad sie ab in falsche Bahnen.

Ein Spielzeug ist die Kunst dein hohlen Tropf
Von öder Seele und gemeinem Sinn,

Ein Fliegenwedel seiner Langweile.

Wie anders wär' es, wenn für alles Volk
Der Künstler seine Werke schaffen dürfte!

Sie wäre dann die reine Flamme wieder,

Die wonnig das Gemüth durchglüht, die Herzen
Begeistert für das Große, Treffliche;

Die reinigende Fluth der Menschenseele;

Der Fittig zu den höchsten Regionen. —

Genius der Wissenschaft.

Die Klagen, die ihr beide führet, wecken
Ein lautes Echo auch in meiner Brust.

Auch mich drückt ja so manche Fessel noch.

Der Kirche Ketten Hab' ich abgeschüttelt,

Der Zwang des Staats noch bindet mir den Fittig
Und trübt den Blick in der Erkenntniß Reich.

Und wie die Kunst dringt auch des Wissens Licht
Nur spärlich in das Volk; nur tropfenweis
Kann Wahrheit, Weisheit sickern in die Menge,
Die unter Ueberlast der Arbeit seufzt.

Ihr fehlt die Muße, heiter zu lustwandeln
In meinen Gärten, reich an süßen Früchten.

Von Thorheit auch sowie von bösem Willen
Wird viel getrübt der Wahrheit reine Flnth,
Verstopft und unterbrochen die Kanäle,

Der Einsicht Licht geflissentlich verhängt,

Daß es den Geist der Massen nicht erleuchte! —
Doch sehet dort die stattlich hohe Frau!

Genius der Kunst.

Sie schreitet hierher.

Genius der Industrie.

Wer mag sie wohl sein!

4. Szene.

(Die Göttin der Arbeit tritt auf.)

Alle drei.

Die Mutter, die erhab'ne Mutter ist's!

Göttin der Arbeit.

Seid mir gegrüßt, o theu're Sprößlinge,
Schutzgetster ihr des menschlichen Geschlechts,

(Zum Genius der Wissenschaft.)

Der Wahrheit nnermüdlicher Ergründer!

(Zum Genius der Kunst.)

Des Lieblichen erfindungsreicher Schöpfer!

(Znm Genius der Industrie.)

Des Nützlich-Guten emsiger Erzeuger!

Die im Verein ihr den erhab'nen Bau
Der Weltkultur errichtet und befestigt,

Der höher, immer höher wächst empor.

Zu meinem Ohre drangen eure Klagen
Und euch zu trösten eilt' ich her zu euch. —
Zurück in graue Zeiten laßt uns schauen,

Da unter Thieren noch ein Thier der Mensch.

Mit seiner Hände, seines Geistes Arbeit
Ist er emporgewachsen über alle
Geschöpfe, die bevölkern diese Welt.

Der Erde Eingeweide wühlt er auf
Und rafft aus ihrem Schooß das Erz, die Kohle.
Er zieht die Furche mit des Pfluges Schärfe
Und streut die Saat der gold'nen Halmsrucht aus.
Er zimmert Schiffe sich mit stolzen Masten,

Auf denen er das Weltmeer kühn befährt.

Er gründet Städte, Staaten, große Reiche
Und schafft zum Paradies die öde Wildniß.

Bis zu den Sternen fliegt sein Geist hinauf
Und das geheimnißvolle Walten, Weben
Und Wirken der Natur hat er erspäht.

So zwingt er ihre Geister in sein Joch,

Die Riesenkräfte, die im Schooß ihr schlummern.
Zum schnellen Winde spricht er: diene mir!

Und macht den Dampf, den Dämon, sich zum Sklaven,
Den mächt'gen Sohn des Wassers und des Feuers.

So wächst denn von Geschlechtern zu Geschlecht
Des Menschen Macht, sein Wissen tmd sein Können.
Denn rastlos stürmt sein Geist und seine Kraft
Die Schranken, die ihm die Natur gezogen,

Und scheucht die Wolken, scheucht die Schatten fort,
Die seine Wohlfahrt trüben und verdüstern,

Bis er, ein Thier dereinst, zum Halbgott wird. —

Die Bäume dieses Waldes blicket an:

Jndeß die einen hohen, schlanken Wuchses
Die kräftig wohlgeformten Arme recken
Und schütteln stolz die majestät'schen Wipfel,

Sind jene dort verwachsen und verkrüppelt
Und unansehnlich, zwerghaft, schwach geblieben,
Weil saftlos ist das Erdreich, drin sie wurzeln,
Und nicht der Sonne Strahl ihr Laub beglänzt.
Sc in der Pflanzung menschlicher Kultur
Ist Großes noch mit Kleinlichem beisammen,

Mit Gutem Schlimmes, Edles bei Gemeinem,
Glorreiches ist und Klägliches vereint;

Dieweil die Menschen den Gesellschaftsbau
Nach rechtem Plan noch nicht errichtet haben.
Noch waltet Zwietracht unter seinen Gliedern,
Noch tobt und rast um Mein und Dein der Kampf
Und es erliegt der Schwächere dem Starken,

So wie das Reh zerrissen wird vom Wolf,

Die Taube von dem Habicht wird zerfleischt.

Doch kommen wird der Tag, an dem die

Menschen

Bereinigt werden sein zum großen Bunde
Und jedes Glied in schöner Harmonie
Anmuthig sich ans andere fügt und schmiegt.
Geschwunden sind alsdann des Volkes

Leiden

Und Arbeit ist vermählt mit höchstem Glück.

Noch ist er ferne, dieser schöne Tag,

Doch dämmert schon am Horizont sein Licht
Und lieblich strahlet schon das Morgenroth.

Die Morgenröthe einer bessern Zeit
Bricht für das Volk der Arbeit freundlich an.

(Man vernimmt wieder das Posthorn in der Ferne, welches
eine muntere Weise bläst.)

Nicht sei fortan das Proletariat
Der Macht des Goldes schutzlos preisgegeben.
iDfit meinem Schilde will ich sie beschirmen,
Dem ehr'nen Schilde der Gerechtigkeit. —
Ich will ihr Leben und Gesundheit schützen.

Ihr redlich Theil sei ihnen zugewogen
An allem, was des Menschen Fleiß erzeugt,

Am Guten, wie am Wahren und am Schönen.
Der Arbeitszeit gesetzt sei ihre Grenze.

Es freue sich, in heit'ren Räumen wohnend,

Der Arbeitsmann im Kreise seiner Lieben
Und sei beglückt im Anblick seiner Sprossen,

Die von der Mutter liebevoller Pflege
Den Pflanzen gleich im Sonnenschein gedeihen.

Vereinigung! So heißt das Zauberwort,

Durch das Erlösung koinmt dem Arbeitsvolke.
Durch Einigung ja wächst und schwillt die Kraft
Zum Bund vereinigt, sind die Schwachen stark,
Die Starken stärker und vollbringen Wunder.
Vereinigt haben sie schon manches Mal
Gebeugt der schnöden Habsucht steifen Nacken
Und über Stolz und Unrecht triumphirt.
Vereinigt haben sie den Mächtigen
Gar manche bess're Einsicht eingeflößt.

Vereinigt werden sie ihr gutes Recht,

Ein menschenwürdig Loos für sich erringen
Und friedlich schreiten fort von Sieg zu Sieg. —

Der Frühlingsmond hebt an an diesem Tag,

Der wonnevolle, blüthendust'ge Mai.

Ein Frühling auch soll er dem Volk bedeuten.
Ein Frühling bricht dem Volk der Arbeit an,

Das alles Gute, Schöne schafft ans Erden:

Es soll erlöst von seinen Leiden werden,

Mit eig'ner Kraft sich aus dem Slaub erheben,
Und mit den andern frei und glücklich leben.
(Gruppe. Bengalisches Licht verklärt die Göttin, die drei Genien
und den schlafenden Arbeiter. Der Vorbang fällt.)
 
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