Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Harfe schlagt Herr Hartman» flott,
Der Staatsanwalt aus Plauen,

Er singt von einem Stand, o Gott,
Der kaum was hat zu kauen.

Es ist der Unternehmerstand,

Wo man ihn anch besuche,

Sehr schwer gedrückt im deutschen Land,
Er nagt am Hungertuche.

Er muß im Schweiß des Angesichts
Zu hohe Löhne blechen,

Und wird er alt, so hat er nichts
Zu beißen und zu brechen.

Bei Krankhcits- und bei Todesfall,
Seufzt still er, ties beklommen —
Muß da das Reich nicht Knall und Fall
Ihm auch zu Hilfe kommen?

Die Pauke folgt dem Harfensang
In dröhnenden Akkorden,

Dem Publikum ist's angst und bang
Bei der Musik geworden.

Die Freiheit herrscht in meinem Reich,
Ruft König Stumm ganz heiter,
Doch wer nicht folgsam ist wird gleich
Entlassen und so weiter.

Wer eine Zeitung liest, der soll
Bei mir sie abonnircn,

Die Presse muß gesinnungsvoll
Mein Loblied musiziren.

Und find' ich, daß ein Demokrat
Sich einschlich in den Tempel,
Hinaus mit ihm ganz ohne Gnad',
Zum warnenden Exempel.

Herr Hartmann denkt — das gicbt a Hetz!
Der Herr verleih' ihm Segen! —

Ein Arbeitgeber-Schutzgcsetz
Dem Reichstag vorzulegcn.

Wenn Hans sich nach der Grethe sehnt
Ohn' meinen Konsens — rundum
Wird dieser Kasus abgelehnt —

Jus primae noctis, Punktum!

Die Manifestation des 1. Mai in Paris.*)

Ein großer Theil der Pariser Arbeiter hatte den Beschluß gefaßt, de»
1. Mai, un Einklang mit der bekannten Resolution des Internationalen
Kongresses, durch eine imposante Manifestation zu feiern und . dem gesetz-
gebenden Körper der Nationalversammlung — den Willen des arbeitende»
BolkS, daß der schrankenlosen Ausbeulung der Arbeitskraft durch den Acht-
stundentag und sonstige Arbeiterschutz-Maßregelu gesteuert werde, in möglichst
eindrucksvoller Weise kund zu thuu. Da die französische Regierung Beweise
dafür zu haben glaubte, daß der Boulangismus die Gelegenheit zu einem
Handstreich gegen die Republik benutze» wollte, und in Folge dessen alle
öffentlichen Umzüge für den 1. Mai verboten hatte, so verzichteten die Arbeiter,
welche den Feinden der Republik nicht Spanndienste leisten wollen, auf den ge-
planten öffentlichen Umzug, und man kam überein, dem Bure an der Kammer
(Nationalversammlung) durch eine Deputation die von dem Internatio-
nalen Arbeiterkongreß sormulirten Forderungen der Arbeiter zu übermitteln.

Die elf Mitglieder des sozialdemokratischen „Organisations-Ausschusses"
erhielten den Auftrag, die Petitionen der verschiedenen Arbeiterorganisationen
dem Präsidenten der Kammer Floquet — dem Besieger Boulangers in
dem berühmten Duell — persönlich zu überreichen. Die Delegirten: Baudin,
Ferroul und Thivricr, Mitglieder der Kammer; Baillant, Stadtrath;
Roussel und Lacoste, Abgesandte der Schneidergewerkschaft; Lentz und
Gouzou, Abgesandte der Kellner und Restaurateure; Duluc, Kutscher;
Felix, Schuhmacher, und Guesde, Journalist, trafen um 2 Uhr Nach-
mittags auf dem Concorde-Platz ein, wo gewaltige Menschenmassen,
meist Arbeiter, versammelt waren. Hier wurden die Delegirten von Munizipal-
Gardisten zu Pferd . (städtische Polizei) angehalten. Als aber die drei
Kammermitglieder, sowie Baillant ihre Amtsschärpe umhängten, ließ man
die Delegirten passiren. (Fortsetzung nächste Seite.,

*) Mit dieser Nummer beginnen wir eine Neuerung, die hoffentlich von unfern Lesern
freundlich ausgenommen wird; die letzte Seite des „Wahren Jacob" soll, soweit Stofs dazu
vorliegt, von jetzt ab Bilder aus der Zeitgeschichte bringen, ebenso auch Porträts von
Zeitgenossen, die sich um die Arbeiterbewegung verdient gemacht haben. Die Redaktion.




o

(M

£

u

tfc

u

,u

u

»0

g

5

V
 
Annotationen